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Foto: Reuters/Christensen
"Die Wahrscheinlichkeit, einem Kriegsbefürworter im amerikanischen Fernsehen zu begegnen, ist ungefähr sechsmal so hoch wie die, einen Kriegsgegner zu sehen." Das Resümee des amerikanischen Medienbeobachters Steve Randall von der Gruppe Fairness & Accuracy in Reporting (FAIR) fällt zwei Jahre nach dem 11. September immer noch eindeutig gegen eine wirklich freie Presse aus: Nach wie vor dominiert patriotischer Eifer die US-Medien.

Wie Studien belegen, hat sich besonders das Fernsehen aufseiten der Bush-Regierung geschlagen, meint Randall. In 64 Prozent aller TV-Beiträge unterstützten die interviewten Personen den Krieg, nur zehn Prozent waren dagegen. Die Auswirkungen der Terroranschläge sind in den US-Medien jedenfalls nach wie vor evident. Der ersten Patriotismuswelle, als die Nation noch unter dem Schock der Ereignisse stand, ist einer Art anhaltendem vorauseilendem Gehorsam gewichen. Demnach berichten Medienorganisationen wie "Reporter ohne Grenzen" nur vereinzelt von Journalisten, die über Selbstzensur klagen, weil sie sich von der öffentlichen Stimmung unter Druck gesetzt fühlen. Unrühmliche Ereignisse wie die inszenierte Befreiung der Soldatin Jessica Lynch fügten der nicht hinterfragenden Presse zusätzlich Imageschaden zu. Experten sprechen bereits von einer Krise des Journalismus.

Großteils ist die einheitliche Haltung der US-Medien schlicht durch ihre Eigentümerstruktur bedingt: Der 72-jährige Medienmogul Rupert Murdoch gehört zu den vehementesten Befürwortern der Bush-Politik. Seine Durchhalteparolen vertrieb er während des Irakkrieges in rund 175 Titeln mit einer Druckauflage von weltweit 40 Millionen. Und auch der wichtigste Nachrichtensender Fox gehört zu Murdochs News Corporation. Dort arbeitet etwa Bill O'Reilly, der George W. Bush treu ergeben ist: In einer Sendung lud O'Reilly einen Friedensaktivisten ein, dessen Vater am 11. September 2001 ums Leben gekommen war. Als dieser die Regierung kritisierte, hieß O'Reilly ihn, den Mund zu halten.

Dennoch formiert sich eine Gegenbewegung: Immer mehr US-Bürger stoßen sich an der Unzulänglichkeit kommerzieller Medien und suchen nach anderen Quellen. Das Internet wurde zum wichtigen Informanten: Während in den Medien die Berichterstattung verengt wird, gibt es einen zusehends breiteren Zugang zu unzensierten, unkontrollierbaren Informationen. Und auch die Qualitätsblätter besinnen sich auf ihre kritische Kompetenz. Erst vor kurzem räumte Greg Jaffe vom "Wall Street Journal" ein, dass es rückblickend schwer zu sagen sei, "ob wir nicht den anderen Stimmen größeres Gewicht hätten geben sollen". (Doris Priesching /DER STANDARD, Printausgabe vom 11.9.2003)