Wien - Das Datum 11. September steht nicht nur für die Terroranschläge von New York und Washington vor zwei Jahren. So wurde an diesem Tag vor genau 30 Jahren, 1973, in Chile die Politik eines eigenständigen, sozialistischen Weges durch den gewählten Präsidenten Salvador Allende im Granathagel der Guerilla von General Augusto Pinochet in Schutt und Asche gelegt. Folter und Terror sollten das Land in den Anden siebzehn Jahre in Geiselhaft halten.

Das neue Buch "Solidarität mit Chile" des Österreichers Herbert Berger beleuchtet in diesem zeithistorischen Zusammenhang die österreichische Unterstützung für die Opfer des Putsches. Der Autor will es aber auch als Ermunterung für engagiertes Handelns über den eigenen, nationalen Tellerrand hinaus verstanden wissen. Das Werk wurde gestern, Mittwochabend, im Rahmen der Gedenkveranstaltung "30. Jahrestag der Zerschlagung der Demokratie in Chile" im Parlament präsentiert. Berger lebte von 1968 bis 1973 als katholischer Priester in Chile und wurde infolge der Ereignisse nach dem Sturz Allendes selbst zum Opfer der neuen Politik, die nach eigenen Angaben antrat, um "das Abendland zu retten".

Trotz seiner Flucht sollte Chile weiterhin einen bestimmenden Platz in Bergers Leben einnehmen, wie er im Interview mit der APA betonte; galt es doch, den Menschen, denen unter Pinochet das drohte, was ihm selbst durch puren Zufall erspart geblieben war, Solidarität und wenigstens einigen von ihnen auch ein sicheres Exil zu bieten. Die von ihm mitbegründete Initiative "Solidaritätsfront für Chile" sei die ideale Plattfrom gewesen, um sich einerseits der Flüchtlinge annehmen zu können und andererseits auch in Chile selbst etwas bewirken zu können.

Mit der Amtskirche kam es nach seiner Rückkehr in die alte Heimat rasch zum Bruch, da sie seine Kooperation mit dem Sozialismus missbilligte. In der Folge heiratete Berger Sigrun, die zur Zeit des Putsches auch in Chile gelebt hatte und ebenfalls vor den Schergen der Diktatur flüchten musste.

Um effektiv handeln zu können, sei die Kooperation mit der österreichischen Politik und Behörden natürlich unabdingar gewesen. In Summe habe sich die Zusammenarbeit positiv gestaltet, insbesondere der damalige Bundeskanzler Bruno Kreisky (S) habe großes Verständnis für die Anliegen der Solidaritätsfront gezeigt und auch die großzügige Ausstellung von Visa befürwortet. Vielfach seien bereits ausgestellte Visa die Voraussetzung gewesen, um Verfolgte überhaupt aus Chile zu befreien. Auf Seiten des damals ebenfalls von der SPÖ besetzten Innenministeriums sei man allerdings häufig auf deutlich geringere Gegenliebe gestoßen. Etwas durchwachsen waren laut Berger auch Kontakte zu den österreichischen Botschaftern in Santiago gewesen: Von der Befürwortung seiner Anliegen bis hin zu Pinochet-freundlichen Amtsträgern habe er alles erlebt.

Entscheidende Bedeutung habe für die Solidaritätsfront die organisierte Zusammenarbeit mit chilenischen Exil-Organisationen, Kirchen und Gewerkschaften gehabt. Die Strukturen, unter denen effektives Handeln möglich war, legt Berger in seinem Buch denn auch penibel dar. Durch das konzertierte Vorgehen habe man letztlich auch ein Druck auf die Junta ausüben können.

Die gerade dieser Tage feierlich beschworene Rückkehr zur Demokratie im Jahr 1990 sieht Berger differenziert. So schreibt er im Vorwort zu seinem neuen Buch, dass der Schatten Pinochets noch immer über dem Land liege, dass die Verbrechen der Diktatur weitgehend ungeklärt seien und die Schuldigen nach wie vor straffrei geblieben seien. Ernüchterndes Fazit des chilenischen Alltags anno 2003: "So brachte das Ende der Diktatur zwar eine formale Demokratie, aber die soziale Schuld, von der nach der ersten demokratischen Wahl die Rede war, wurde bis heute nicht eingelöst." Dennoch können der Solidaritätsarbeit für Chile laut Berger auch heute noch wesentliche Impulse entnommen werden, was ein "pueblo unido" zu leisten imstande sei. Schließlich habe das Regime aufgegeben - nicht zuletzt auch auf Grund der Aktivitäten im fernen Wien. (APA)