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David Bowie präsentierte diese Woche von London aus live via Satellit weltweit in diversen Kino sein neues, 26. Album "Reality". Am 29. Oktober kann man den britischen Rockstar in der Wiener Stadthalle leibhaftig erleben.

Foto: Reuters
Mit zahlreichen Verweisen auf frühere Glanzleistungen setzt der 56-jährige Brite aber zumindest seinen Weg in Richtung gelassenes Alterswerk fort.


Wien - Wie es sich für einen der wenigen Überlebenden der New Economy gehört, präsentierte David Bowie diese Woche sein neues, 26. Album Reality von London aus weltweit live. Übertragen wurde die Show aus dem Riverside Café, aus dem übrigens auch der neue kochende Global Player Jamie Oliver hervorging, mithilfe neuester Computertechnologie in ausgesuchte Kinos zwischen Tokio und Berlin.

Der mit dem Spiel wechselnder Identitäten und künstlerischer Positionen Verwirrung treibende 56-jährige Brite, der mittlerweile gemeinsam mit seiner Ehefrau, dem ehemaligen afrikanischen Supermodel Iman, und einer gemeinsamen dreijährigen Tochter standesgemäß uptown am New Yorker Central Park residiert, präsentierte sich dabei nicht nur höchst gelassen auf dem Höhepunkt seiner zumindest wirtschaftlichen Macht.

Immerhin hat Bowie schon Ende der 90er-Jahre als künstlerische Trademark mit dem Gang an die Börse in Hinblick auf hoffentlich eintretende Verkaufserfolge mit seiner Musik innerhalb kürzester Zeit gut 200 Millionen Euro verdient.

Nach dem enttäuschenden Midlifecrisis- und Mainstream-Rock-Album Hours aus 1999 und der zumindest im Rückblick teilweise hervorragenden, an alte Glanzleistungen wie zuletzt Scary Monsters aus 1980 anschließenden Arbeit Heathen aus dem Vorjahr erscheint kommenden Montag nun Reality. Und nach vier Jahren Pause wird Bowie am 29. Oktober auch wieder live in Österreich in der Wiener Stadthalle gastieren.

Sentimentales Altern

Entgegen der Vorausberichterstattung vor allem auch auf Bowies eigener Homepage (www.davidbowie.com) hat man es hier zwar nicht mit der groß angekündigten Rückkehr zum Rock unter besonderer Berücksichtigung des von ihm einst mit Ziggy Stardust mitgeprägten Glam-Rock zu tun. Und auch der gebrochene pathetische Existenzialismus von späten Leistungsschauen wie Black Tie, White Noise (1993) ist kilometerweit entfernt. Ganz abgesehen vom Bowie der Berlin-Phase mit den zeitlosen Jahrhundertwerken wie Heroes, Low oder Lodger.

Wie schon auf dem Vorgänger Heathen aber versucht sich Bowie im Verein mit seinem alten Produzenten Tony Visconti (Space Oddity, Diamond Dogs, Scary Monsters) wenigstens ansatzweise an einer Rückbesinnung auf seine gebrochenen Künstler-Images zwischen Dekadenz und Pathos. Das führt nicht nur zu interessanten Missverständnissen wie zwei etwas unglaubwürdig wirkenden Coverversionen. Pablo Picasso, das bereits in den 70er-Jahren von John Cale für immer gültig interpretierte Meisterwerk von Jonathan Richman, musste hier ebenso herhalten wie die Richtung deutscher Schlager gedeutete alte Nummer von George Harrison, Try Some, Buy Some. Mit Ausnahme der neuen Single New Killer Star oder dem Titelsong Reality wird dann hier auch nur wenig gerockt.

Vielmehr versucht sich David Bowie in der Fortführung des Songwritings von Heathen ein weiteres Mal daran, in Würde öffentlich und kreativ zu altern. Die Auseinandersetzung mit dem Tod und zahlreiche Bilder, die mit dem Sterben und der Vergreisung zu tun haben, finden hier in insgesamt elf Songs ebenso Eingang, wie auch eines versucht wird: Trotz einer Allegorie auf 9/11 im Song New Killer Star, die von einer "großen weißen Narbe" oberhalb des Battery Parks in New York spricht, versucht sich Bowie auch angesichts seiner eigenen Vergänglichkeit in Ironie und Zweckoptimismus. Das mag dann etwa im achtminütigen Schlusslied Bring Me The Disco King, das im Gewand einer etwas gar simplizistisch geratenen Jazz-Pianoballade daherkommt, etwas aufgesetzt wirken.

Beim altbacken funkig holpernden Never Get Old mit seinen Anspielungen auf Bowies alten Hit Fame oder verstreuten Zitaten von alten Hits wie Rebel Rebel oder Jean Genie funktioniert das allerdings ganz prächtig. (DER STANDARD, Printausgabe, 12.9.2003)