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Hellers Fussballkugel vor dem Brandenburger Tor

Foto: REUTERS/Fabrizio Bensch

Zu den nicht wenigen Qualitäten des Trainers der deutschen Fußballnationalmannschaft gehört seine Einzigartigkeit: "Es gibt nur ein'n Rudi Völler" - das singen die Fans sehr gern.

Bald können sie darauf einen hübschen Refrain bilden: "Es gibt nur ein'n André Heller." Denn der österreichische Einmaligkeitskünstler ist zum offiziellen Kulturbeauftragten im Zusammenhang mit der nächsten Fußballweltmeisterschaft ernannt worden, die zwar erst 2006 stattfindet, dafür aber in Deutschland.

Ausgedacht hat sich diesen Coup das magische Dreieck Schröder/Schily/Beckenbauer, und zwar bei einem Abendessen im Hause Heller in Italien. FIFA-Generalsekretär Blatter war auch zugegen. An diesem Freitag zeitigt der spektakuläre Transfer sein erstes Resultat: Vor dem Brandenburger Tor in Berlin wird ein Fußball eröffnet, der zugleich ein Globus ist, jedenfalls aber groß genug, um öffentlich zugänglich zu sein.

Gut hundert Leute passen hinein. Sie können sich untertags verschiedene "Devotionalien" aus der Fußballgeschichte ansehen - Verhandlungen wegen eines Paars Fußballschuhe von David Beckham sind so gut wie abgeschlossen. Am Abend gibt es dann Programm mit hochkarätigen Gästen, die zum Thema etwas zu sagen haben, weil sie dazu irgendwann etwas publiziert haben.

Andere Aufstellung für Deutschland

Innenminister Otto Schily wirkt jedenfalls sehr zufrieden, als er an einem dieser prächtig frühherbstlichen Berliner Nachmittage in einem Büro hoch über dem Spreebogen mit André Heller vor die gemischte Presse tritt (Sport und Feuilleton quer durcheinander), um die ganze Sache näher zu erläutern. Die Fußballweltmeisterschaft sei für "die künftige kulturelle und zivilisatorische Entwicklung des Landes" von großer Bedeutung, entscheidend also, dass sich Deutschland "anders aufstellt", und wer sei dafür besser als "Regisseur" geeignet als André Heller?

Es stellt sich schnell heraus, dass dessen Kompetenz in Sachen Fußball tatsächlich in erster Linie kulturell ist. "Verliebt bin ich noch nicht, aber interessiert", räumt Heller ein. Bei der Lektüre "herrlicher Texte und kluger Essays" habe er gemerkt: "Das kann was."

Das Spiel nämlich, bei dem 22 Männer einem Ball hinterherrennen, wie es von Ignoranten manchmal despektierlich beschrieben wird. Die ganze Welt wird 2006 und auch schon vorher auf Deutschland blicken. Also muss man "was tun, was die Welt ein bissl erstaunt": Man müsse, so Heller, das Land als "ironisch, ein bisschen sinnlich, selbstironisch" zeichnen, und zwar früh genug. "Das fangt an. Da rührt sich was."

Hellers ursprünglicher Idee, ein UFO über wichtigen Orten der Welt auftauchen zu lassen, wollte aus verschiedenen Gründen niemand näher treten. Deswegen ist nun eben der Fußballglobus als "reisendes Wahrzeichen" am Pariser Platz gelandet.

"Nicht hochoriginell, aber richtig"

Der dahinterliegende Gedanke ist "auch nicht hochoriginell, aber richtig", denn "wenn Marshall McLuhan noch irgendwo Recht hat, dann ist das Bild die Botschaft", also der Ball. Ein Etat von 30 Millionen Euro steht für die künftigen Aktivitäten bereit, ein großer Sponsor ist gefunden. Intellektuelle von Klaus Theweleit bis Marlene Streeruwitz sollen im Inneren der Kugel referieren, wo immer sie gerade stehen mag.

Auch "Heroen des Unsportlichen" sollen zu Wort kommen. Heller selbst gehört nicht mehr zu ihnen. Er turnt, seit er sich "bei einem erotischen Vorfall verrissen" hat.

Eine "uferlose Einspeisung" soll die lange Wartezeit bis 2006 verkürzen, "mich interessiert, was sagt der Van Morrison dazu". Notfalls wird der Impresario selbst anfragen: "Ich hab' mir im Lauf meines Lebens ein relativ gutes Telefonbuch erarbeitet."

Bei Wortspenden wird es nicht bleiben. "Große Filmemacher von Woody Allen bis Tarantino und Godard" sollen eingeladen werden, Fünfminutenfilme zum Thema Fußball herzustellen.

Der späte André Heller und das späte Deutschland haben einander, so scheint es, gefunden in einem Projekt von grandioser Simplizität: "Ich hab' meine hybriden Projekte hinter mir und werd' das nicht mehr tun wollen." Jetzt gehört nur noch Waldemar Hartmann, der Mann, der Rudi Völler in Fahrt brachte, in dieses Telefonbuch. (DER STANDARD, Printausgabe, 12.9.2003)