London/Rom/Madrid/Paris - Das Medienecho einen Tag nach dem Tod der schwedischen Außenministerin Anna Lindh ist groß. Die Kommentare wichtiger europäischer Tageszeitungen behandeln vor allem den Sicherheitsaspekt und die möglichen Auswirkungen auf das bevorstehende Euro-Referendum in Schweden.

"The Times" (London):

"Das Ideal einer freien und demokratischen Gesellschaft, an dem in Europa noch viele festhalten, verschwindet schnell. Zu viele Politiker sind angegriffen worden, von Oskar Lafontaine in Deutschland über Pim Fortuyn in Holland und nun Anna Lindh. Die Gefahren sind allen deutlich vor Augen geführt worden. Die Schweden sind verantwortungsvolle und gebildete Wähler. Wie immer die Euro-Debatte das Land auch bewegt haben mag, die Bevölkerung kann zwischen Gefühl und Interessen trennen. Es könnte sein, dass der Tod von Lindh mehr Schweden an die Wahlurnen treibt. Sie müssen zwischen der persönlichen Trauer und den nationalen Interessen entscheiden."

"Il Messaggero" (Rom):

"Blitzartig, zerstörerisch, unerklärlich. Geheimnisvoll wie eine Gottesstrafe hat die Gewalt den glücklichsten und abgeschiedensten Teil Europas getroffen. (...) Entsetzt stellt Schweden fest, dass es mit einer Welt zurecht kommen muss, die keine freien Zonen mehr kennt. Und es findet heraus, dass es unvorbereitet ist. Es will oder kann nicht seine Spitzenpolitiker beschützen, heute wie vor 17 Jahren, als Ministerpräsident Olof Palme auf der Straße erschossen wurde. Wie damals läuft Schweden Gefahr, das Verbrechen unaufgeklärt und unbestraft zu lassen."

"El Mundo" (Madrid):

"Sollte der Mörder vorgehabt haben, einen Befürworter des Euro umzubringen, so könnte der Effekt genau entgegengesetzt sein: Eine Mobilisierung der hunderttausenden Unentschlossenen zu Gunsten des "Ja" bei der Abstimmung am Sonntag - aus Sympathie für und Solidarität mit der ermordeten Ministerin. Der Tod von Anna Lindh könnte paradoxerweise die Prognosen der Umfragen umkehren, wonach die Befürworter des "Nein" mit fünf bis zehn Prozentpunkten vorne liegen. Lindh galt als Nachfolgerin von Ministerpräsident Persson, dessen politische Zukunft am Sonntag auf dem Spiel steht. Sollte er verlieren, wäre er innerhalb und außerhalb seiner Partei stark geschwächt. Wenn aber der Euro siegt, dann werden die Sozialdemokraten und die EU diesen Triumph Anna Lindh verdanken."

"Liberation" (Paris):

"Zu viel Bürgernähe der Politiker kann in Schweden also tödlich sein. Andererseits kann zu viel Distanz wie in Frankreich die Politik sterben lassen, ohne dass die politischen Akteure unbedingt besser geschützt wären. Die Schweden werden nun diskutieren und entscheiden müssen, wie sie ihre Demokratie mit mehr Sicherheit in Einklang bringen. Klar ist, dass es kein absolutes Mittel gibt, das kollektive oder individuelle Verrücktheiten abwehrt. Das Ergebnis der Diskussion in Schweden dürfte weit über das Land hinaus auf Interesse stoßen."(APA/dpa)