Stockholm - Schwedens Spitzenpolitiker bewegen sich fast immer ohne Bewachung und für jedermann frei zugänglich in der Öffentlichkeit. Dieses System müsse man nach dem Mord an Außenministerin Anna Lindh vermutlich überdenken, hieß es am Freitag im Stockholmer Justizministerium.

Ständige Leibwächter nur für Ministerpräsident und König

Bisher ist für den Schutz von etwa 400 Regierungsmitgliedern und anderen Spitzenpolitikern sowie Mitgliedern des Königshauses die Sicherheitspolizei Säpo zuständig. Ständig von Leibwächtern begleitet werden nur Ministerpräsident Göran Persson sowie König Carl XVI. Gustaf.

Bei allen anderen Betroffenen wird eine Bewachung durch Säpo entsprechend einer von den zuständigen Experten ermittelten "Bedrohungslage" angeordnet. Sie wird aber auch auf Bitten von den jeweiligen Personen gewährt.

Lindh fuhr täglich mit dem Zug zur Arbeit

Lindh selbst hatte eine solche Bitte unmittelbar vor dem Mordanschlag nicht geäußert, sondern war mit einer Freundin einfach vom Außenministerium durch die Innenstadt zum NK-Kaufhaus spaziert. Auch beim fast täglichen Pendeln zwischen ihrem Wohnort Nyköping und der Hauptstadt hatte sie wie alle anderen Bürger am Bahnsteig auf ihren Zug gewartet.

Durchweg alle schwedischen Spitzenpolitiker haben auch nach dem Mord an Ministerpräsident Olof Palme 1986 immer wieder erklärt, dass sie eine eher normale Lebensweise nicht nur privat, sondern auch als unverzichtbaren Bestandteil einer "offenen Gesellschaft" bewahren wollten. Die nach dem Palme-Mord zeitweise deutlich verschärfte Bewachung von Politikern wurde vor diesem Hintergrund nach und nach wieder eingeschränkt. (APA/dpa)