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montage: derStandard.at
Talinn/Moskau - Die Zeichen standen auf Feiertag. Nur wenige Male in der Staatsgeschichte beschloss die estnische Regierung, die Nationalfahnen auszuhängen. Als sie am Sonntag von den Häusern wehten, kündeten sie vom historischen Moment für die Zukunft des Landes. Spät in der Nacht war der Feiertag perfekt. Die Esten hatten beim EU-Referendum mit auffälliger Deutlichkeit zu verstehen gegeben, wo man das Land künftig positioniert haben will. 67 Prozent stimmten für den Beitritt zur EU, lediglich 33 Prozent dagegen.

Dass die Zustimmungsrate im Ranking aller Beitrittskandidaten damit "nur" an vorletzter Stelle liegt, ist von relativer Bedeutung. Als Ex-Sowjetrepubliken waren die Balten einer neuen Union gegenüber generell skeptischer eingestellt. Und gerade Modernisierungsverlierer setzen ihre Hoffnungen nicht unbedingt auf die EU. Noch im Vorjahr sprachen sich daher laut Umfragen kaum mehr als 50 Prozent der Esten für den EU-Beitritt aus.

Die Pro-EU-Kampagne der wirtschaftsliberal-konservativen Regierungskoalition hat gerade in den letzten Monaten Wirkung gezeigt. Das konnte selbst der im August plötzlich vollzogene Anti-EU-Schwenk der großen Zentrumspartei nicht verhindern. Während ihr populistischer Leader Edgar Savisaar mit der Unionsangst der Esten spielte, stieg die Zahl der Befürworter gerade unter den 50-Jährigen rapide an. Auch die Wahlbeteiligung verdient besondere Beachtung. Mit 63,4 Prozent erzielten die generell wahlfaulen Esten einen historischen Rekord und zeigten damit die drittgrößte Wahlaktivität unter allen Beitrittsstaaten.

Tatsächlich haben die Esten mit dem Votum die Entwicklung der letzten 12 Jahre seit dem Austritt aus der UdSSR bestätigt: Schnelle Privatisierungen, hohe Wirtschaftswachstumsraten und generelle Westorientierung. War vor wenigen Jahren noch Russland der größte Handelspartner, so exportiert Estland mittlerweile über 70 Prozent in die EU-15. Den EU-Referendumsreigen beschließen am Samstag die Letten. Das Votum der estnischen Nachbarn dürfte auch die EU-Befürworter in Lettland stärken. (DER STANDARD, Printausgabe, 16.9.2003)