Betrachtet man Wien als Wissenschaftsstadt nur durch die Zahlenbrille, entsteht ein beeindruckendes Bild: Acht Universitäten, etwa 5500 Wissenschafter und 110.000 Studierende bilden ein beachtliches Potenzial - und da ist die ebenfalls in Wien konzentrierte außeruniversitäre Forschung noch nicht mitgerechnet. Auch im Unternehmenssektor nimmt Wien mit circa 220 forschenden Firmen und rund einer Milliarde Euro an Entwicklungsinvestitionen im Österreich-Vergleich die Spitzenposition ein (siehe Grafik). Trotz der relativen Stärke beider Felder kooperieren sie weniger als in anderen europäischen Ländern. Nur 1,8 Prozent der Forschungsarbeiten an Universitäten werden in Österreich von Unternehmen bezahlt. Im OECD-Schnitt sind es sechs Prozent.

Wien schneidet dabei zwar besser als die anderen Bundesländer ab. "Es wäre aber noch mehr drinnen", so Hannes Leo vom Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo, der die Stadt schon seit mehreren Jahren bei der Entwicklung einer innovations- und technologieorientierten Standortstrategie berät. Wien hat diese geringe Quote als strukturelle Schwäche seiner Wirtschaft erkannt, wie Edeltraud Stiftinger, Geschäftsführerin des Zentrums für Innovation und Technologie, bestätigt. Deshalb hat die Technologieagentur des Wiener Wirtschaftsförderungsfonds (WWFF) nun auch einen Wettbewerb unter dem Titel "Co Operate Vienna" ausgeschrieben, der speziell Wiener Klein- und Mittelunternehmen zur Zusammenarbeit mit der Forschung ermutigen soll. Zwei Millionen Euro stehen insgesamt für die Projekte lokaler Firmen zur Verfügung. Ihre wissenschaftlichen Kooperationspartner können sich die Unternehmen in Wien, aber auch international suchen. Gefördert werden Personalkosten durchschnittlich in der Höhe eines Drittels der Projektaufwendungen.

Den Unterschied zu bereits bestehenden Initiativen des Bundes wie dem Kompetenzzentren-Programm, das ebenfalls die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft forciert, sieht Stiftinger in der Möglichkeit, auch Auftragsforschung gefördert zu bekommen. "Wenn ein Unternehmen beispielsweise ein neues Produkt gemeinsam mit einer wissenschaftlichen Einrichtung entwickeln möchte, kann es für dieses einzelne Projekt um Unterstützung ansuchen und muss keine langfristig angelegten Kooperationsverträge vorweisen", sagt sie.

Stiftinger hofft, damit vor allem Klein- und Mittelunternehmen zu erreichen, die bisher noch nie mit der Wissenschaft zusammengearbeitet haben. Zum Themenspektrum möglicher Anträge gibt es seitens des WWFF keine Einschränkungen. Damit unterscheidet sich diese Ausschreibung auch deutlich von den Calls der jüngeren Vergangenheit, die auf die Forcierung der Schwerpunkte Biotechnologie, Creative Industries und Verkehrssicherheit abzielten. "Um strukturelle Schwächen auszugleichen, müssen Aktion wie 'Co Operate Vienna' oder unsere Förderungen zur Gründung von Hightechunternehmen möglichst breit angelegt sein", so Stiftinger. Die themenspezifischen Aktionen hingegen sollten neben der Stärkung der angesprochenen Forschungsbereiche auch der Profilierung des Standorts dienen.

Mit dem Interesse der Wirtschaft an den Calls zeigt man sich im WWFF bisher zufrieden. Und auch vonseiten der Forschung dürfte das Interesse wachsen, wie Reinhart Kögerler, Präsident der anwendungsorientierten Christian-Doppler-Gesellschaft und Mitglied der "Co Operate Vienna"-Jury bestätigt: "Früher war es fast ein bisschen anrüchig, als Wissenschafter mit der Wirtschaft zusammenzuarbeiten. Das ändert sich langsam - nicht nur, weil die Unis auf der Suche nach Drittmitteln sind, sondern auch weil die Forscher den Wert von wirtschaftlichen Fragestellungen für die eigene Arbeit erkennt." Die aktuelle Zwischenbilanz des Calls: 70 konkrete Anfragen, die Interesse an einer Einreichung signalisieren. Die Einreichfrist läuft vom 15. bis 18. September. (Elke Ziegler/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14. 9. 2003)