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Das Abheben beim Geldautomaten könnte bald zum Lotteriespiel werden, zumindest für jene, die nicht immer im Plus sind

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Wien - Konsumentenkredite könnten in Zukunft teurer oder ganz knapp werden, normale Kontoüberziehungen so wie bisher gar nicht mehr möglich, schwieriger damit auch Kreditkartengeschäfte; Restriktionen drohen zudem bei Leasingfinanzierungen oder Lebensversicherungsdarlehen. Auch den klassischen Zahlungsaufschub, selbst das private "Anschreiben" beim Stammheurigen oder im Lieblingsgeschäft, will die EU künftig als normalen "Kredit" bewerten - und mit ihren geplanten strengen Reglementierungen für die Vergabe von Verbraucherkrediten belegen.

Europaparlament fordert Rücknahme

Noch bevor die internationale Beratungsgesellschaft Booz Allen im Auftrag der österreichischen Wirtschaftskammer-Kreditsparte im Oktober ein Gutachten zu den Auswirkungen der umstrittenen "Verbraucherkreditrichtlinie" der EU vorlegen wird, malten Europaparlamentarier und Kreditsparte am Montag in Wien ein Horrorszenario, sollte die EU ihren Entwurf nicht - wie vom Europaparlament gefordert - zurücknehmen.

Untere Einkommensschichten seien besonders stark auf kurzfristige Geldaufnahmen und Darlehen angewiesen. "Es darf nicht dazu führen, dass die Bankschalter unter Hinweis auf EU-Recht für schwächere Bevölkerungsschichten geschlossen bleiben", warnte der zuständige Berichterstatter im Europäischen Parlament, Joachim Wuermeling, in einer Pressekonferenz in Wien. Sie würden so nur zu unseriösen Kredithaien abgedrängt. "Es darf nicht so weit kommen, dass der 'kleine Mann' keinen Kredit mehr bekommt, also nur mehr jene Kredit erhalten, die keinen brauchen". Der VP-Europaabgeordnete Othmar Karas warnt zudem vor sinkender Nachfrage nach Konsumgütern. Mit allen negativen volkswirtschaftlichen Folgen.

Praktisch alle betroffen

Vom drohenden Todesstoß für Überziehungen wären praktisch alle Einkommensgruppen betroffen. Werden bei jeder Überziehung von Lohnkonten - also jedesmal wenn der Kunde ins Minus gerät - Bonitätsprüfungen und Tilgungspläne fällig, ist das nach Bankenmeinung überhaupt das Aus für die Überziehungen. Die Einbeziehung von Überziehungskrediten in die Verbraucherkredite gefährde den Fortbestand dieser Kreditform, da Formvorschriften nicht eingehalten werden könnten, wenn im laufenden Geschäft der Kontostand etwa durch eine Überweisung - z.B. Abbuchung der Stromrechnung - oder Kartenzahlung überzogen wird, gibt Wuermeling in einem Bericht des parlamentarischen Rechtausschusses zu bedenken.

Die EU hat vor, den Finanzierungsbereich in Europa zu harmonisieren, Verbraucher stärker zu schützen. Dazu sind nicht nur strengere Vergabekriterien bei bisherigen klassischen Krediten an Private (auch die "Bagatellgrenze" von 200 Euro soll fallen) geplant. Auch der Anwendungsbereich der Richtlinie soll ausgedehnt werden: Neben Überziehungskrediten (geschätztes Volumen in Österreich: 50 Mrd. Euro) sollen auch konsumnahe Immobilienkredite, private Bürgschaften für Geschäftskredite, Leasingverträge, Pfandleihe, Zeitschriftenabonnements und möglicherweise auch Telefon- und Strombezugsverträge unter "Verbraucherkredit" fallen.

Überschuldung eindämmen

Die Initiatoren in Brüssel wollen unter anderem die Überschuldung der privaten Haushalte eindämmen. Für Karas ist der EU-Richtlinienentwurf aber keine Antwort auf das Problem der Schuldenspirale.

In Österreich ist jeder dritte Haushalt verschuldet, 100.000 Haushalte gelten als überschuldet bzw. zahlungsunfähig. Bei einem aushaftenden Verbraucherkreditvolumen von 67,4 Mrd. Euro bedeute das einen Schuldenstand von im Schnitt 20.225 Euro pro Haushalt. Hauptgründe für Überschuldungen seien Krankheit, Arbeitslosigkeit, Scheidung, Tod. Und diese unvorhersehbaren Lebensereignisse seien bei Beratung und Abschluss von Kreditverträgen nicht vorhersehbar, ist man sich im Europaparlament und bei Banken einig. Karas räumt ein, dass die Überschuldung junger Menschen durch zu einfache Kreditvergabe bzw. zu einfachen Zugang zu Handyverträgen gravierend problematisch sei. Die Kritik am EU-Richtlinienvorschlag verstelle da sicher nicht die Sicht auf die vorhandenen Probleme.

Überbordende Bürokratie

Herbert Pichler, Geschäftsführer der Bundeskreditsparte, begründet seinen heftigen Widerstand gegen die EU-Pläne mit einer überbordenden Bürokratie, letztlich würde sich damit ein neues "Gebührenproblem" eröffnen. Der zur vermehrten Kreditkosten-Information geplante Ausweis dreier verpflichtender Zinssätze (Effektiver Jahreszins, Kreditgeber-Gesamtzins, Sollzins) überfordere die Kunden, sagt Pichler. Mit der vermehrten Risikoabwälzung auf die Banken will er sich schon gar nicht abfinden. Auch das 14-tätige Rücktrittsrecht für Kredite ist ihm ein Dorn im Auge, Kunden bekämen ihr Geld dann zweifellos später. Europaparlamentarier Wuermeling hingegen hält dieses Widerrufsrecht für "vernünftig". Auch er sähe es aber für problematisch, wenn Kreditbürgeschaften wie von der Kommission geplant nur mehr drei Jahre gelten dürfen.

Neu soll auch eine "Vorfälligkeitsklausel" eingezogen werden. Die EU-Kommission will dem Schuldner das Recht einräumen, jederzeit auch vor Fälligkeit der Rückzahlung den Kredit ganz oder teilweise zu tilgen - in bestimmten Fällen auch ohne dass der Kreditnehmer dafür Sonderzahlungen leisten muss. (APA)