Wien - Die umstrittene EU-Richtlinie, wonach Software künftig nicht nur durch Urheberrecht sondern auch als Patent geschützt werden kann, kommt nächsten Dienstag zur Abstimmung im Europäischen Parlament (EP). Abgestimmt werden soll darüber, ob "computerimplementierte Inhalte" patentiert werden können - Verfahren, wie etwa die Ein-Klick-Verkaufsoption, die der Onlinehändler Amazon auf seiner Website anbietet.

Bei solchen Entwicklungen ist nach dem geltenden Urheberrecht derzeit nur der konkrete Code geschützt, nicht aber die Idee des Verfahrens an sich. Das würde es Entwicklern ermöglichen, dieselbe Idee auf andere Weise umzusetzen, ohne gegen das Urheberrecht zu verstoßen oder Lizenzen zahlen zu müssen. Nach der von der EU-Kommission erlassenen Richtlinie, die der Bestätigung durch das EP bedarf, würde ein solcher "computerimplementierter Inhalt" als Ganzes geschützt und damit lizenzpflichtig werden, befürchten Kritiker der Richtlinie.

"Damit würden Monopole auf Software entstehen, die eine Waffe gegen Konkurrenten sind", erklärte die grüne EU-Parlamentarierin Mercedes Echerer am Montag in Wien. Vor allem kleine Entwickler wären außerstande, den Aufwand für die ständige Recherche zu tragen, welche Dinge bereits patentiert sind, argumentiert Echerer - eine Katastrophe für die zahlreichen Klein- und Mittelbetriebe Österreichs.

So sind derzeit beim europäischen Patentamt in München bereits 30.000 Patente angemeldet - darunter auf den "Fortschrittsbalken", der auf grafische Weise den Ablauf etwa beim Download einer Datei oder bei anderen PC-Vorgängen anzeigt; seine Verwendung in jeder Art von Programm oder auf einer Website wäre darum lizenzpflichtig. Diese angemeldeten Patente sind nach derzeitigem Recht nicht zulässig, würden aber durch die Richtlinie möglich werden.

Vor allem die weitere Entwicklung von Open-Source-Software wäre durch die Patentierbarkeit von Computercodes schwer gefährdet, warnt der Wiener Wirschaftsanwalt Georg Zanger. Open Source sei jedoch als eine Art "Maßanzug" für Unternehmen wichtig, da man damit zielgerichtet Lösungen für den Bedarf einzelner Unternehmen entwickeln könne, ohne den gesamten Ballast eines Betriebssystems einkaufen zu müssen.

Das EP sei in dieser Frage gespalten, sagte Echerer,die an alle 21 österreichischen Abgeordneten appelliert, gegen die Richtlinie zu stimmen. Ist keine Mehrheit für die Ablehnung in Sicht, wollen die Grünen mit zahlreichen Zusatzanträgen durch Rückverweisung des Entwurfs in den Ausschuss Zeit gewinnen. (spu/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16. 9. 2003)