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Lech - "Jedermann beim Philosophen" heißt es, und tags darauf zum Beispiel "Das Los des Lebens": Vortragstitel mit changierenden Bedeutungen, die zu Interpretationen einladen - insbesondere, als sie sich eigentlich auf "Ruhm, Tod und Unsterblichkeit" beziehen, den Titel des diesjährigen Philosophicums.

Wobei sich Vortragende und Zuhörer über eine Sache weitgehend einig sind: dass man über den Tod nicht sachdienlich reden könne, sicher nicht in erster Person, höchstens ex negativo, eben als Ruhm-volle Überwindungsversuche. So nähern sich auch die eingangs genannten Jedermänner dem Thema an, in der Philosophen-Praxis von Eugen Maria Schulak. Er schildert 18 Beispiele von Klienten, die dialogisch über den Sinn des Lebens bzw. des Todes nachgedacht haben - ein leider kaum kommentierter Blick in diese neue Form der Quasi-Therapie.

Theoretischer, geradezu systemtheoretisch geht hingegen der Münchner Soziologe Armin Nassehi an den Tod heran, diese "kommunikative Repräsentation der Tatsache, dass zwischen Akteuren und Gesellschaft eine radikale Diskontinuität besteht" - was uns aber nicht daran hindere, das Anathema geschwätzig zu bearbeiten. Wird hier der philosophische Diskurs im Engeren bereits verlassen, markiert der Schriftsteller Michael Köhlmeier am Abend eine noch größere Freiheit und bleibt zugleich beim Thema. Er liest aus seiner unveröffentlichten biographie romancée der Mathematikerin Emmy Noether: Andere hätten aus Ruhmeslorbeer Kränze geflochten, sie habe ihn gegessen . . .

Ruhm, Fürsten, Frauen

Der Lorbeer kehrt im Vortrag des Hamburger historischen Autors Klaus Thiele-Dohrmann wieder, als Mythos und Metapher für das höchste Ziel. Warum man in der Antike lieber berühmt als reich sein wollte; ab wann Frauen in dieser Oberliga mitspielten; wie der Ruhm zur beliebigen Berühmtheit temporärer Superstars schrumpfte - er führt es aus und schließt mit Nietzsches Diktum, dass man den Philosophen daran erkenne, dass er drei Dingen aus dem Weg geht: "dem Ruhme, den Fürsten und den Frauen".

Natias Neutert, ebenfalls aus Hamburg und kurzfristig eingesprungen, liefert mit seinem "Phantombild des Paradoxen" ein Kontrastprogramm zum sorgfältig vorbereiteten Rest des Symposiums - inhaltlich eine Improvisation über raffinierte Strategien des Berühmtwerdens, formal eine Performance, die zeigt, dass man mit freier Rede die Zuhörer leichter erreicht als mit vorgelesenen Texten.

Was nicht bedeuten soll, dass nicht auch komplizierte Präsentationen ihren Platz haben: Marie-Luise Angerer, Vorarlbergerin an der Kunsthochschule in Köln, untermauert ihre These von der Sprachentleertheit und "Informationsanorexie" (Zizek) der heutigen Mediengesellschaft mit Ausschnitten aus Star-manischen TV-Produktionen. Die Literaturforscherin Sigrid Weigel (Berlin) hingegen spannt einen Bogen von der "copy culture" des Klonens bis zu den Strategien, sich durch verschiedene Formen der Erbschaft ein Nachleben zu sichern. Von da ist es in der Diskussion nur mehr ein kleiner Schritt zu naturwissenschaftlichen Erörterungen, ob und wie Erworbenes vererbt wird.

Ganz als Naturwissenschafter und teilweise unter theologischen Gesichtspunkten sieht Johannes Huber (der in beidem bewandert und zudem Vorsitzender der Bioethik-Kommission ist) die Probleme des (fast) ewigen Lebens. Was geht und wo wir anstoßen: Nature und Science sollen die Antworten parat haben, die Forschung laufe der Rezeption davon.

Mit Skepsis begegnet jedoch Thomas Macho, Kulturwissenschafter an der Berliner Humboldt Uni, der Allianz zwischen Naturwissenschaftern und Theologen. In seinem souveränen Abschlussvortrag beschäftigt er sich grenzüberschreitend mit religiösen und säkularen Strategien der Verschiebung von Lebensgrenzen.

Das Resümee des Publikums ist überwiegend positiv. Auch die fünf STANDARD-Stipendiaten haben laut eigenen Aussagen ihre Forschungsinteressen an den drei Tagen in Lech vertiefen können. Das Buch zur Tagung erscheint im kommenden März. Und Philosophicum-Leiter Konrad Paul Liessmann bereitet schon das Thema für 2004 vor: Lügen und Wahrheit. Material gibt es in Hülle und Fülle. (Michael Freund/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16. 9. 2003)