Erst nach und nach wird das Ausmaß der Bedrohung durch die rechtsextreme Szene in Deutschland deutlich - und die meisten reagieren überrascht. Dass Neonazis in Bayern insgesamt 14 Kilogramm Sprengstoff gehortet sowie Handgranaten und Pistolen gelagert und konkrete Anschlagziele im Visier hatten, ist mehr als erschreckend. Plötzlich müssen sich Juden, Muslime, Ausländer und auch sozialdemokratische Politiker in Deutschland als potenziell gefährdet fühlen.

Die Politik hat daran ein beträchtliches Maß an Mitschuld. Nach dem gescheiterten Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme NPD vor zwei Jahren hat sich die rechtsextreme Szene gestärkt gefühlt. Sie rüstete offensichtlich auf und wähnte sich sicher, denn die Politik hat nach der Pleite beim Verbotsverfahren ihre Aufmerksamkeit anderen Bereichen zugewandt. Auch aus den Medien ist das Thema Rechtsextremismus fast völlig verschwunden. Dass im Zuge des Verbotsverfahrens Spitzel des Verfassungsschutzes aufgeflogen sind, hat dazu geführt, dass sich die rechte Szene stärker abschottete.

Was bei den jetzigen Ermittlungen ans Licht kam, zeugt von einer neuen Dimension der Bedrohung. Ganz gezielt sollten offenbar möglichst viele Menschen zu Schaden kommen. Beschwichtigungsversuche, es handle sich nur um Einzeltäter wie den Neonazi Gundolf Köhler, dessen Bombenanschlag auf dem Münchner Oktoberfest 1980 zwanzig Menschen in den Tod riss, ziehen nicht mehr.

Es wird immer deutlicher: Hier handelt es sich um ein internationales Netzwerk. Auch Verbindungen nach Österreich werden geprüft. Denn es gilt in der rechten Szene als offenes Geheimnis, dass es häufig einfacher ist, Aktivitäten - wie Anfang September ein Skinheadkonzert - nach Österreich zu verlegen, wo die Kontrollen (noch) laxer sind. Der Kampf gegen den braunen Sumpf geht alle an. Verharmlost wurde lange genug. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17.9.2003)