Für die einen ist es eine geniale politische Strategie, für die anderen schlicht und einfach inakzeptable Unverfrorenheit: die nicht enden wollende, völlig wirr laufende Debatte um die Reform der ÖBB.

Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht vom Bundeskanzler abwärts mahnende Zeigefinger erhoben werden und wortreich beklagt wird, wie furchtbar schrecklich viele Milliarden Euro in die ach so heruntergekommene, unrentable Österreichische Bundesbahnen AG rinnt. Noch im gleichen Augenblick wird an der anderen Hand aufgezeigt, wer schuld ist: die Eisenbahner, die den ganzen Tag auf der faulen Haut liegen und mit 50 in die Frühpension gehen und so viele Privilegien genießen.

Mit Schuldzuweisungen lässt sich freilich nicht das sündteure, an die Grenzen der Finanzierbarkeit stoßende System Bahn sanieren, sie liefern aber treffliche Argumente für die Neidgenossenschaft. Denn tatsächlich beschäftigt die ÖBB zu viele Mitarbeiter, die zu wenig produktiv sind und von denen ein erheblicher Teil deutlich mehr verdient als der Rest der unselbstständig Erwerbstätigen. Zu allem Überdruss sind viele von den Eisenbahnern erbrachte Leistungen schlicht eine Zumutung.

Einziger Gewinner dieser Debatte sind die ach so reformwilligen Politiker des Wendekabinetts Schüssel II. Ihnen wurde aktuell zwar einmal mehr deutlich vorgerechnet, dass die Zahlen, mit denen sie hantieren, hinten und vorne nicht zusammenpassen und teils grob falsch sind. Für den Stimmenfang taugen sie jedoch allemal. Denn welcher Steuerzahler will nicht, dass die Bahn weniger kostet und dass Privilegien abgebaut werden?

Welche Leistungen will Österreich von seiner Bahn und was kostet das? Die Antworten sind vielleicht weniger spektakulär, aber vielleicht der Beginn einer ernsthaften Verkehrspolitik. (DER STANDARD Printausgabe, 17.9.2003)