www.elounge.de
Maximalem Aufwand folgte ein schwaches Ergebnis

Wien - Mit Vorschusslorbeeren wurde nicht gegeizt. Ein "bahnbrechendes Ereignis in der Geschichte des HipHop" wurde verkündet und das Wort Meisterwerk bis ans Ende seiner Bedeutung strapaziert: Als die deutsche HipHop-Formation Die Fantastischen Vier im Jahr 2000 ihre MTV Unplugged-Session auf CD veröffentlichte, überschlug sich die Kritik.

Immerhin waren die "Fantis" damit nach Herbert Grönemeyer erst der zweite deutsche Act, dem diese Ehre zuteil wurde. Anstatt eine solche Akustiksession jedoch wie üblich im Studio einzuspielen, baten die Rapper Thomas D, Smudo und Co. über 20 Musiker in die Balver Höhle im deutschen Sauerland und gaben dort eine unorthodoxe Show, dessen CD-Dokumentation ein Verkaufserfolg ersten Ranges wurde.

Vergangenen Montag transformierten "Fanta Vier" diese Unplugged-Show von der deutschen Höhle in die Betonhölle des Wiener Gasometers: Ein vielköpfiger Streichersatz, ein Flügel, üppige Percussion, Keyboards, Vibrafon und mehr fuhren "Fanta Vier" auf - um letztlich mit viel Tamtam abzubeißen.

Denn die semiakustische Neudeutung eines Best-of-Programms in diesem Gewand offenbarte sich als längliche Variation dürftiger Ideen. Trotz verbaler Streicheleinheiten für das dankbare Publikum, dem Thomas D den Song Der Picknicker widmete, kam die Show kaum von der Stelle - blutleerer Funk im Sonntagsfahrertempo, der auf den immergleichen Beat baute, zu dem Gitarren-Licks gezupft wurden, während die drei Rapper mäßig originelle Animateure gaben: "Das nächste Lied ist für dich, Jack Bauer!"

Schön zu hören, dass auch die eigenen Idole öde Fernsehserien schauen. Also: tosender Applaus!

An der Aufgabenstellung "unplugged" haben sich bereits viele Musiker mit mäßigem Erfolg versucht. Seit Einführung dieser Idee Anfang der 90er gaben sich Stars beim Versuch, ihre Musik auf das Nötigste zu reduzieren, peinliche Blößen. Man denke nur an den vollkommen misslungenen MTV Unplugged-Auftritt von Bruce Springsteen, den Gitarrenkurs für Anfänger von Lauryn Hill oder diesbezüglich prinzipiell zum Scheitern verurteilte Fehlversuche wie jener der 70er-Jahre-Masken-Rocker Kiss.

Rare Sternstunden

Andere Künstler wie die Grunge-Superstars Nirvana, der New Yorker Soulster Maxwell oder der diesbezüglich prädestinierte Althippie Neil Young sorgten zu Beginn dieser nicht enden wollenden Serie wiederum für Sternstunden. Aber diese zählen zu den raren Ausnahmen.

Die Mitbegründer des deutschen HipHop scheiterten an ihrem Unvermögen, aus dem betriebenen Aufwand mehr als hübsch anzusehende Belanglosigkeit zu generieren. Wenn man schon die Idee der Reduktion in die Gegenrichtung interpretiert, dann sollte man die mitgebrachten Streicher auch entsprechend opulent einzusetzen. Das wäre konsequent gewesen.

Doch statt turmhohe Gefühle zu erwecken, wirkten diese über lange Strecken auftragslos oder strichen verhalten kammermusikalische Marginalien auf ihren Instrumenten, die so wirkten, als müssten sie tunlichst vermeiden, dem Nuschel-Rap ihrer Brötchengeber in die Quere zu kommen.

Die ursprüngliche Form, der Ausgangspunkt HipHop, wurde so gnadenlos Richtung Beschwerdeschlager mit Humor verwässert. Folgerichtig gab es nicht zu knapp Plattitüden: Der Tiefpunkt: Thomas Ds Forderung, eine Schmonzette mit kanonisiertem Feuerzeugeinsatz zu unterstützen. Von hier zum Peter-Maffay-mäßigen Lebensberater für Ziegenbartträger war es nicht mehr weit. Da halfen auch keine akustischen "Schmankerln" mit der Motorsäge.

Dem ausverkauften Saal war das egal. Den olympischen Gedanken belebend, schunkelte es mit seinen Helden, bevor diese ihr Programm mit Hits wie MfG und dem finalen Tag am Meer beendeten.

Das im HipHop gerne beanspruchte "real thing" - wo war es? Sicher nicht hier. (Karl Fluch/DER STANDARD; Printausgabe, 17.09.2003)