Ob Tabakwerbeverbot oder strenge Vorgaben zur Nahrungsmittelreklame - viele EU-Initiativen zum Konsumentenschutz können sich auf das Anzeigengeschäft auswirken. Der Europäische Verlegerverband EPC machte auf einer Konferenz in Brüssel seine Bedenken deutlich.

Zwei Sorgen treiben Verleger um, wenn sie Gesetzgebungsprojekte der EU-Kommission zum Konsumentenschutz analysieren: die Einschränkungen der Pressefreiheit und die "Richtlinien, die in ihren letzten Auswirkungen zu einem Verlust an Anzeigen führen", wie es Francisco Pinto Balsemão, Vorsitzender des Europäischen Verlegerrats (European Publishers Council - EPC), ausdrückt.

EU-Regelungen zu Tabakwerbung, Insidergeschäften, unfairen Geschäftspraktiken, gesundheitsbezogenen Angaben bei Nahrungsmitteln, Geschlechterdiskriminierung - Pinto Balsemão, der auch Chef der größten Mediengruppe Portugals ist, hatte in Brüssel bei einer Konferenz des EPC, zu dessen 29 Mitgliedern auch der Verlag des STANDARD gehört, viele Beispiele für Eingriffsversuche der EU in das Geschäft der Verleger parat.

Mitverantwortlich für die meisten von ihnen ist EU-Verbraucherkommissar David Byrne, der vor den Unternehmensvertretern jeden seiner Vorschläge verteidigte - nicht zuletzt mit dem Gegenvorwurf, in so manchen Medien würden die Gesetzgebungsprojekte der EU-Kommission zuweilen auch wider besseren Wissens falsch dargestellt.

Paradebeispiel

Byrnes Paradebeispiel: die Verordnung zu nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben, die er im Juli vorgelegt hatte. Obwohl Byrne schon bei deren Präsentation klar gemacht hatte, dass lockere Werbeslogans wie "Haribo macht Kinder froh" von ihr nicht erfasst sind, sondern nur konkrete Behauptungen wie "weniger Fett" oder "gut für Ihr Herz", hatte eine Reihe von deutschen Medien unter Bezug auf den "Haribo"-Spruch einen Angriff auf die Werbefreiheit heraufziehen sehen.

Thomas Knipp, Chefredakteur des "Handelsblatts", ließ den Vorwurf des Kommissars nicht gelten: Journalisten würden nicht gezwungen, als Lobbyisten ihrer Verleger zu schreiben, "Journalisten lieben aber die Freiheit, und meinen, die Menschen können selbst entscheiden, was sie kaufen und konsumieren".

Die Klage gegen Byrnes Richtlinie zum EU-weiten Werbeverbot für Tabak ab 2005, die die deutsche Bundesregierung zu Wochenbeginn beim Europäischen Gerichtshof eingereicht hatte, fand folgerichtig großen Beifall bei den Verlagschefs. (Jörg Wojahn/DER STANDARD, Printausgabe vom 18.9.2003)