Wenn die Arbeitslosigkeit steigt, wie sie das nunmehr seit Jahren tut, verweist die Regierung gerne auf internationale Vergleiche - demnach sind wir Spitze, zählen in der EU zu den Ländern mit der geringsten Arbeitslosigkeit auch bei Jugendlichen. Jetzt stört eine OECD-Studie das schöne Bild. Demnach absolvieren in Österreich 13,1 Prozent der männlichen Jugendlichen zwischen 15 und 19 weder eine Ausbildung (Schule, Lehre), noch haben sie eine Arbeit. Mit anderen Worten: Sie sind arbeitslos. Österreich ist damit EU-Schlusslicht.

Fehlende Ausbildung und keine Arbeitsmöglichkeit, wie dies die OECD-Studie zeigt, ist eine doppelte Falle für das weitere Leben: Denn dann wird weder in der Schule noch in einem Job dazugelernt. Der Lösung dieser Herausforderung stehen weniger die mangelnden Bildungsinvestitionen der letzten Jahre im Weg als die große Starrheit der heimischen Systeme - und der Politiker, die sie machen. Verfolgt man die aktuellen Bildungsdebatten, wähnt man sich tief im vergangenen Jahrhundert: Kinder, die mit einem Zweier im Zeugnis nicht in "höher" bildende Schulen dürfen, weil es zu wenige Plätze gibt; und die selbst in den erzkonservativen USA seit jeher praktizierte Ganztagsschule ist hier noch immer ein Werk des sozialistischen Teufels.

Schule funktioniert nach dem Motto "Ganz oder gar nicht": Wer in einzelnen Bereichen (etwa der heiligen Kuh Mathematik) nicht bis zur Matura spurt, ist out - eine individuelle Fächerbildung ist nicht möglich, bestenfalls ein "Downgrade" in eine weniger anspruchsvolle Schulart. Dabei gibt es auch eine zunehmende Zahl von Dropouts, die trotz vorhandener Begabungen von der Schule nicht mehr angesprochen werden. Das aber wird nicht als Problem der Schule (die sich überlegen müsste, wie sie auch diese Jugendlichen erreicht und dafür Ressourcen braucht), sondern als individuelles Problem der Betroffenen gesehen. "Lernschwierigkeiten"? Pech gehabt.

Zugleich sind Arbeitsmarkt wie Lebensstil im Umbruch. Zwischen Ausbildung und "richtiger" Arbeit schiebt sich zunehmend eine Phase "atypischer" Arbeit: Teilzeitjobs, die Welt kennen lernen, Partys - Phasen, in denen Jugendliche Orientierung für eine Welt suchen, die nicht mehr nach dem Muster Schule, Arbeit, Familie, Pension glatt gestrickt ist. Das bedeutet "atypische" Arbeitsverhältnisse, die nicht lange dauern - und die dennoch eines Tages auf eine Pension angerechnet werden müssten. Es bedeutet: Ausstieg aus der Schule, Jobben, und leichte Rückkehrmöglichkeit in diverse Bildungsangebote unter Anrechnung des Gelernten und Erlebten. Dabei brauchen gefährdete Jugendliche auch Strukturen, die mit ihren Schwächen zurechtkommen - womit Lehrbetriebe überfordert sind.

Um mit der wachsenden Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen zurechtzukommen, braucht es eine Vielzahl qualitativer Maßnahmen, Projekte, Jobmöglichkeiten, Experiment. Ein Schwarz-Weiß-Denken, das nur zur Entscheidung zwischen Party und Kinderkriegen auffordert, ist für diese Aufgaben farbenblind. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18.9.2003)