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Christian Brandstätter wurde am 21. September 1943 in Lambach geboren und studierte Jus (Promotion 1965). 1968 trat er beim Molden Verlag ein, seit 1974 gestaltet er Bildbände. Nach dem Konkurs des Verlages 1982 gründete er seinen eigenen. 1991 musste er Zwangsausgleich anmelden, der Verlag wurde vom ÖBV übernommen. Brandstätter produzierte bisher rund 800 Bücher. Seine engsten Weggefährten sind Franz Hubmann, mit dem er 50 Bücher machte, und André Heller.

Foto: APA/Jäger
Christian Brandstätter feierte am Mittwoch, 17.9., im Palais Porcia seinen 60. Geburtstag und das 20-Jahr-Jubiläum seines Verlages. Im Gespräch mit Thomas Trenkler zieht der sympathisch-fröhliche Büchernarr eine kleine Zwischenbilanz.


STANDARD: Ihr Verlag soll derzeit billig zu haben sein. Was müsste man denn Klett, der den ÖBV samt Brandstätter, Deuticke und Residenz gekauft hat, auf den Tisch legen?
Brandstätter: Ich habe gehofft einen Euro. Dann hätte ich mich selbst um den Verlag beworben. Aber wie der Teufel so will, haben wir 2002 ein positives Jahresergebnis erwirtschaftet, was derzeit nur wenigen Verlagen gelingt. Und jetzt denke ich mir, dass der Eigentümer etwas mehr verlangen wird. Wie viel, weiß ich nicht.

STANDARD: Aber Sie würden den Verlag dennoch zurückkaufen.

Brandstätter: Ja, sehr gerne, zusammen mit einem Partner. Aufgrund all der Turbulenzen in meinem Leben weiß ich nun schon sehr viel besser um die Risiken Bescheid. Denn eigentlich ist ja jedes Buch ein kleineres oder größeres Vabanquespiel.

STANDARD: Abgesehen von Plachuttas Die gute Küche.

Brandstätter: Das stimmt natürlich. Wenn die Erstauflage 150.000 Stück beträgt, dann fahren die Herstellungskosten pro Buch gewaltig herunter. Dadurch haben wir eben letztes Jahr einen Gewinn erzielt. Aber man kann sich auch gehörig verschätzen, legt vielleicht 25.000 Stück auf - und verkauft dann nur 8000.

STANDARD: Das war ja einst das Problem von Fritz Molden, bei dem Sie 1968 anfingen.

Brandstätter: Ja, er hat zwei Saisonen hintereinander auf die falschen US-Bestseller gesetzt. Und wenn man dann noch Vorschüsse in der Höhe von einer Million Dollar zahlen muss, dann bedeutet das den Todesstoß.

STANDARD: Von diesem Problem sind Sie ja nicht so sehr betroffen, auch wenn Sie 1991 in eine schwere finanzielle Krise schlitterten: Sie haben sich auf Bildbände, auf hochwertige Bücher spezialisiert.

Brandstätter: Ich leg' halt noch darauf Wert, dass die Bücher werkgerecht ausgestattet sind. Weil ich eben vom Büchersammeln komme, von der Bibliophilie. Aber ich hab's schon auch einmal mit Literatur versucht. Doch mir wurde mein Christoph Ransmayr von Hans Magnus Enzensberger abgeworben. Und da hab' ich mir gedacht, mir wird das wohl mit jedem erfolgreichen Autor passieren: dass er hierzulande zwei Bücher herausbringt - und dann zu den großen deutschen Verlagen geht. Jetzt bin ich auf "illustrated books" spezialisiert und gehe recht erfolgreich internationale Koproduktionen ein. Darauf bin ich irgendwie stolz. Das Buch über die Wiener Werkstätte zum Beispiel erscheint demnächst auch bei Thames & Hudson in London und Harry N. Abrams in New York.

STANDARD: Haben Sie sich nicht in den Hintern gebissen, als Ransmayr mit Die letzte Welt derart durchstartete?

Brandstätter: Natürlich, denn dann hätte ich mit der Literatur weitergemacht! Aber vielleicht war es auch gut so. Denn eine Freundin hat mir einmal 30 Seiten des ersten Romans von Patrick Süßkind zum Lesen gegeben: Das Parfum. Ich war begeistert, wollte das Buch sofort machen. Aber sie sagte mir, dass der Autor davor noch ein Theaterstück publiziert wissen will. Und ich hasse seit der Schulzeit diese Dialoggeschichten. Daher wurde nichts daraus. Wenn ich geahnt hätte, dass Der Kontrabass eines der erfolgreichsten deutschsprachigen Stücke werden würde! Also, mit Literatur hätte ich mir vielleicht nur die Finger verbrannt.

STANDARD: Haben Sie auch heuer einen Knüller wie den Plachutta im Programm?

Brandstätter: Wir bringen in den nächsten Tagen den dicksten Bildband über Österreich heraus, den es je gab, einen immer währenden Kalender, in dem die wichtigsten Ereignisse aufgelistet sind, und die Mitzitant' kann auch den Hochzeitstag ihrer Nichte eintragen. 365 x Österreich hat 800 Seiten und 1200 Fotos. Es soll so ein Lebenstagebuch werden - und neben der Bibel in allen Haushalten älterer Menschen stehen. Ich brauche eben auch den Mainstream, um mit den Nischenprodukten überleben zu können. Der Mix ist wichtig.

STANDARD: Das Frühjahrsprogramm 2004 haben Sie ja sicher schon unter Dach und Fach. Es ist das erste, dass von Klett als neuem Eigentümer genehmigt werden muss. Wie ist die Stimmung?

Brandstätter: Mir wurde ein Kogeschäftsführer zur Seite gestellt, der im Grunde das Gleiche macht wie früher die beiden Herren vom ÖBV: Wenn ein Projekt nicht wirtschaftlich zu sein erscheint - aber wer weiß das eigentlich schon? -, dann können sie es ablehnen. Aber das ist bisher nicht passiert.

STANDARD: Von einem Eigentümer zum anderen: Schmerzt Sie das? Beziehungsweise: Haben Sie darunter gelitten, nach dem Ausgleich die Eigenständigkeit verloren zu haben?

Brandstätter: Schon, aber dadurch wurde der Verlag gerettet. Kanzler Franz Vranitzky und Kunstminister Rudolf Scholten haben damals gemeint, man sollte doch den Verlag, der international tätig ist, nicht wegen 18 Millionen Schilling über die Klippe springen lassen, und haben dem ÖBV Geld zu Verfügung gestellt, damit der Verlag übernommen werden konnte.

Ich wurde zwar wirtschaftlich unter Kuratel gestellt, war aber weiterhin für die Programmlinie allein zuständig. Was konnte ich mehr wollen? Und das war gut so. Denn man wird nur dann ein Verleger, dem es um Inhalte geht, wenn man die Lage sehr, sehr optimistisch sieht. Deshalb werden heutzutage fast nur mehr Betriebswirte an die Spitze von Verlagen berufen - und leider keine Leute aus den Geisteswissenschaften.

STANDARD: Wie wird es weitergehen? Sie sind Verleger durch und durch und werden es bleiben bis zu Ihrem Lebensende.

Brandstätter: Wenn man mich lässt . . .

STANDARD: Wie stehen denn die Chancen, dass Sie den Verlag zurückkaufen können?

Brandstätter: Es gibt einige Interessenten. Und unter diesen wird es sicher auch solche geben, die sich ein Federl an den Hut stecken wollen. Herr Klett hat mir aber versprochen, dass er einen solchen nicht nehmen wird. Ich vertraue ihm.

STANDARD: Ach, es gibt mehrere Interessenten?

Brandstätter: Ja, aber ich selbst kenne nur einen: Wilfried Seipel, den Generaldirektor des Kunsthistorischen Museums. Es wäre dann auch ein internationaler Verlag, Skia, mit einer kleinen Beteiligung im Spiel. Das könnte eigentlich eine wunderbare Geschichte werden: Der Verlag würde wie bisher weiterlaufen, zudem gebe es einen KHM-Brandstätter-Verlag für die Kataloge und was Seipel sonst noch will.

STANDARD: War es richtig oder falsch, den ÖBV samt den Publikumsverlagen zu verkaufen?

Brandstätter: Für die Peanuts, die der Staat in etlichen Tranchen erhalten wird, hat man viel aufgegeben. Denn mit den Gewinnen aus dem Schulbuchverlag konnten bisher die Programme der anderen Verlage gestützt werden. Der Republik ist die Verlagsszene ohnedies so gut wie nichts wert: Alle heimischen Verlage zusammen erhalten im Jahr nur so viel wie die Staatsoper für eine Vorstellung. (DER STANDARD, Printausgabe, 18.9.2003)