Die oft komplexen Geschäftsbeziehungen in Südosteuropa als Treiben einer "Balkan-Mafia" abzutun, greift für den Wirtschaftswissenschafter Vladimir Gligorov zu kurz. "Mafia ist ein starkes Wort", sagt der Südosteuropa-Experte am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) im Gespräch mit der APA.

Michael Dichands Aussagen über angebliche Verbindungen der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) mit der "Balkan-Mafia" sind für Gligorov aber "ein wenig irreführend": "Grundsätzlich reden wir da über eine Gruppe von Geschäftsleuten und die Regierung." Möglicherweise hantiere Dichand mit solchen Begriffen, da sie "für seine eigenen Zwecke" passen, so der Experte diplomatisch.

Ernste Probleme im legislativen Bereich

"Der Balkan mit diesen Klischees kommt da gerade recht", meint Gligorov weiter. "Das heißt natürlich nicht, dass es keine Probleme gibt. Gerade am Mediensektor herrscht ein klarer Konflikt und geradezu ein Kampf zwischen unterschiedlichen Mediengruppen und Leuten, die dort investieren wollen. Der Mediensektor in Serbien, wo derzeit übrigens auch Privatisierungen im elektronischen Bereich anstehen, sei schlicht ein "Durcheinander", so seine Diagnose. "Hier gibt es ernste Probleme im legislativen Bereich, aber auch in der Regulierung."

Wenn schon nicht gleich die "Mafia" involviert sein muss, sei aber häufig ein informelles Vorgehen auch mit Regierungskreisen nötig. "Es wurde von Fällen berichtet, wo Deals geheim - oder sagen wir vielleicht auf freundschaftlicher Basis - arrangiert wurden. Klar ist auch, dass im Zuge von Privatisierungen immer mit der Regierung Einverständnis erzielt werden muss", sagt Gligorov. "Der Verhandlungsstil mag dort anders sein, als man es von Westeuropa gewöhnt ist." Er warnt aber davor, sich die Verhältnisse am Balkan als "Wilden Osten" vorzustellen. In manchen Fällen gibt es sicher andere Rahmenbedingungen, aber ich bin nicht extrem überzeugt davon, ob es in EU-Ländern nicht auch öfter so zugeht. (APA)