STANDARD: Wie groß ist der Anteil der Bundespartei bzw. der rot-grünen Koalition am Debakel der bayerischen SPD?

Niedermayer: Der dürfte diesmal relativ groß sein. Weil Bundespolitik bei Landtagswahlen immer eine Rolle spielt und weil die CSU den Wahlkampf sehr stark bundespolitisch ausgerichtet und zu einem Plebiszit der Bayern gegen die rot-grüne Bundesregierung gemacht hat.

STANDARD: Wird es CDU-Chefin Angela Merkel jetzt noch schwerer haben, sich gegen Stoiber durchzusetzen?

Niedermayer: Es kommt darauf an, was Stoiber eigentlich will, in welcher Position er eine stärkere bundespolitische Rolle spielen will. Das muss nicht unbedingt noch einmal eine Kanzlerkandidatur sein. Wenn ja, dann wäre der Machtkampf mit Merkel vorprogrammiert. Dies kann auch ein Superministerium bei einem möglichen Machtwechsel bei der nächsten Bundestagswahl sein. Das kann auch eine herausgehobene Rolle im Kreise der Ministerpräsidenten sein.

STANDARD: Würde sich Stoiber mit einem Superministerium unter einer Kanzlerin Merkel zufrieden geben?

Niedermayer: Die Frage ist, ob er noch einmal Kanzlerkandidat werden könnte. Er selbst hat das nicht aufgegeben. Ich sehe aber nicht, dass er das real wird. Man darf nicht vergessen, selbst der herausragende Sieg jetzt bedeutet in drei Jahren relativ wenig. Aus dem Sieg jetzt kann man nicht automatisch eine Kanzlerkandidatur ableiten.

STANDARD: Ist Stoibers Aussage, nicht Bundespräsident werden zu wollen, glaubwürdig? Niedermayer: Stoiber ist niemand, der sich mit einer repräsentativen Funktion zufrieden gibt, er möchte gestalten. Das kann er als Bundespräsident nicht. Stoiber müsste auch den CSU-Vorsitz aufgeben und sich tagespolitischer Kommentare enthalten. Dies alles widerspricht so sehr seinem Charakter, dass ich ihm das voll abnehme, wenn er sagt, er will nicht Bundespräsident werden. (DER STANDARD/Printausgabe, 22.9.2003)