In seinem WTO-kritischen Kommentar "Wirtschaftskunde für Bartenstein" (STANDARD, 16. 9.) weist der Politologe Christof Parnreiter auf die Bedeutung von Wertschöpfung, Wirtschaftswachstum und Beschäftigung gerade für die Entwicklungsländer hin. Damit hat er Recht. Die richtigen Schlussfolgerungen aus dieser Erkenntnis zieht er jedoch nicht. Denn:

Dass das Außenhandelsvolumen in einer Weltwirtschaft, in der dank der WTO Handelshemmnisse, die der internationalen Arbeitsteilung entgegenstehen, sukzessive abgebaut werden, rascher und stärker steigt als Wertschöpfung, Wachstum und Beschäftigung, ist ein Phänomen, das durchaus nicht negativ zu sehen ist; und auch Parnreiter tut dies offenbar nicht, wenn er am Beispiel des Veredelungsverkehrs in Mexiko zwar eine nationale Wertschöpfung von nur 15 % kritisch vermerkt, jedoch zugleich feststellt, dass davon vier Fünftel auf Löhne entfallen - in der Tat ein gewichtiger Beitrag zur Beschäftigung!

Es ist jedoch durchaus zutreffend, dass Außenhandel nicht die einzige, ja vielleicht gar nicht die beste Strategie zur Erreichung und Sicherung nachhaltigen Wohlstandes für die Entwicklungsländer darstellt - eine solche wäre die Förderung von Direktinvestitionen, welche neben der traditionellen Entwicklungshilfe von größter Bedeutung für den Aufbau einer erfolgreichen und selbsttragenden Wirtschaftsstruktur in diesen Ländern sind. Direktinvestitionen ziehen ein Höchstmaß an inländischer Wertschöpfung nach sich, indem sie gerade klein- und mittelbetrieblich strukturierten Unternehmen mit hohem Arbeitsanteil Folgeaufträge sichern - eine Gesetzmäßigkeit, die auch für entwickelte Wirtschaften wie den Wirtschaftsstandort Österreich gilt.

Solche ausländischen Direktinvestitionen setzen freilich einen stabilen rechtlichen Rahmen voraus. Dieser kann durch bilaterale Abkommen gewährleistet werden - jedoch mit dem gewichtigen Nachteil, dass in diesem Fall das einzelne Entwicklungsland allein einer übermächtigen Industrienation als Verhandlungspartner gegenübersteht und wohl kaum anzunehmen ist, dass die Interessen des Entwicklungslandes in entsprechender Weise im Abkommen gewahrt werden.

Konsensprinzip

Um wie viel besser ist dagegen die Lösung, Investitionsschutzregelungen auf multilateraler Ebene zu verhandeln und im Konsensprinzip für alle verbindlich zu beschließen. Nur so ist gewährleistet, dass die Entwicklungsländer ihre Interessen geschlossen vertreten und auch durchsetzen können. Gerade das war für Minister Bartenstein auch der Grund, warum er in den bedauerlicherweise gescheiterten Verhandlungen in Cancún der Frage der Investitionen besonderes Augenmerk geschenkt hat. Es wäre ein Win-win-Szenario gewesen: mehr Investitionen in den Entwicklungsländern und besserer Schutz für die ausländischen Investoren unter voller Berücksichtigung der spezifischen Erfordernisse der Zielländer. Fest steht: In dem Maße, in dem die internationale Arbeitsteilung in einer globalen Marktwirtschaft zur Internationalisierung beiträgt, steigt auch die Wertschöpfung in den Entwicklungsländern.

Auch in Österreich liegen ja die "Export unit values" unter denen vergleichbarer Industriestaaten und auch unter denen der österreichischen Importe - was unser Land nicht daran gehindert hat, gerade in den letzten Jahrzehnten ein überdurchschnittliches Wohlstandsniveau unter eben diesen vergleichbaren Industriestaaten erreicht zu haben.

Wenn heute der österreichische Waren- und Dienstleistungsexport trotz mancher Schwächen über 52 % des BIP erwirtschaftet, dann ist dies in starkem Ausmaß der Liberalisierung - besonders durch EU-Mitgliedschaft und Ostöffnung - zu verdanken, von der gerade Österreichs hervorragende Klein- und Mittelbetriebe profitieren konnten.

Was die wirtschaftliche Situation der Entwicklungsländer betrifft, so wäre diese ohne die Liberalisierung des Welthandels auf globaler und regionaler Ebene - bei allen Unzulänglichkeiten und Disparitäten - eine wesentlich schlechtere als heute.

Daher: Minister Bartenstein hat Recht, wenn er eine erfolgreiche Doha-Entwicklungsrunde und damit nicht nur, aber auch ein Mehr an Freihandel und stabilen rechtlichen Rahmenbedingungen als eine, ja, die Entwicklungschance für ärmere Länder ansieht. (DER STANDARD, Printausgabe, 23.9.2003)