Kigali - Am Dienstag finden in Ruanda die ersten Parlamentswahlen seit der Unabhängigkeit von Belgien 1962 statt. Vier Parteien und 20 unabhängige Kandidaten werden sich den rund vier Millionen Wahlberechtigten des zentralafrikanischen Staates zur Wahl stellen. Die Ruandesische Patriotische Front (FPR), die Partei des frisch vereidigten Präsidenten und starken Mannes im Staat, Paul Kagame, wird aller Wahrscheinlichkeit nach den Sieg davontragen. Der Sozialdemokratischen Partei (PSD), der Liberalen Partei (PL) und der Partei des Fortschritts und des Zusammenhalts (PPC), die alle Kagame bei der Präsidentschaftswahl im August dieses Jahres unterstützt hatten, werden geringe Chancen zugesprochen.

Die einzige potentielle Oppositionspartei, die von moderaten Hutus dominierte Demokratisch-Republikanische Bewegung (MDR), war im Frühjahr verboten worden. Der Partei war nach neun Jahren Mitregierung in der seit dem Ende des Genozids von 1994 währenden Transitionsphase vorgeworfen worden, "divisionistisches" und daher genozidäres Gedankengut zu verbreiten. Die Nachfolgepartei der MDR, die Allianz für Demokratie, Gerechtigkeit und Fortschritt (Adep-Mizero) war mit der Begründung, ihre Statuten würden Ausländer als Mitglieder zulassen, als verfassungswidrig erklärt worden.

Ruhige Veranstaltungen

Neben den direkten Wahlen, bei denen 53 Abgeordnetensitze zu vergeben sind, werden am Montag und Donnerstag bei indirekten Wahlen weitere 27 Abgeordnete von Interessengruppen - Frauen, Jugendliche und Behinderte - gewählt. 26 Senatoren werden schließlich teils von der lokalen Verwaltung gewählt, und teils vom Präsidenten ernannt.

Die Wahlveranstaltungen verlaufen ruhig und haben im Vergleich zu den Veranstaltungen anlässlich der Präsidentsschaftswahl geringen Zulauf. Im Stadion von Gisenyi, der drittgrößten Stadt des Landes, haben sich gerade ca. 3000 Menschen eingefunden, um der Erläuterung des Wahlprogramms der FPR, "Einheit, Demokratie und Entwicklung", zu lauschen. Rot-weiß-blaue FPR-Fähnchen werden hochgehalten, das Lied "Tumutore Kagame", "Wählt Kagame", die absolute Nummer Eins in Ruanda, wird gespielt.

Furcht in der Bevölkerung

Die Wahlveranstalter der anderen Parteien können dennoch von einem solchen Zulauf nur träumen. In der Provinz von Ruhengeri haben sich gerade drei Dutzend Personen bei einer Veranstaltung der PSD versammelt. Die Menschen scheinen sich zu fürchten, öffentlich ihre Sympathie für eine andere Partei als für die, alle Schlüsselpositionen bekleidende FPR zu demonstrieren. "Fürchtet euch nicht, zu unserer Veranstaltung zu kommen," verkünden die Wahlhelfer der PSD durch Lautsprecher und versprechen der Bevölkerung , falls die Partei gewählt wird, Gerechtigkeit, gegenseitige Unterstützung und Entwicklung. Den anderen Parteien geht es nicht besser. Die PPC klagt, dass einige ihrer Wahlveranstaltungen ohne Gründe von Provinzvorstehenden gänzlich verboten worden waren.

Ruanda geht in Richtung Einparteienstaat. Nachdem der Tutsi Kagame bei den Präsidentschaftswahlen 95 Prozent der Stimmen erhielt - in drei von zwölf Provinzen gar 99 Prozent und mehr - ist ein ähnliches Ergebnis für die FPR auch bei diesen Wahlen nicht auszuschließen. Die Wahlbeobachtungsmission der EU hatte beim Urnengang im August Unregelmäßigkeiten und Wahlbetrug festgestellt, was Kagame in den Medien als "lächerlich" bezeichnete. Kritik ist in Ruanda unerwünscht und wird mit "Divisionismus" gleichgesetzt. Unter diesem Begriff wird die Betonung der ethnischen Zugehörigkeit zu Tutsis und Hutus definiert, die laut FPR-Diktion zum Genozid von 1994 mit nahezu einer Million Opfer, vor allem Tutsis und moderaten Hutus, geführt hat. (APA)