Lyocell: Was vom Produktionsturm über blieb.

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Heiligenkreuz - Die drei Männer in Montur winken ab: "Keine Aussage von uns." Im Hintergrund ragt der durch die Explosion am Dienstag zerfetzte Turm, in dem sich das Herzstück des Werkes, der Mischkessel "Extruder" befindet, in die Höhe. Die Innentreppen wurden durch die Verpuffung - vier Personen wurden leicht verletzt -, freigelegt, der Antriebsmotor hängt an ein paar Leitungen aus dem metergroßen Loch. Ursache: eine fehlerhaftes Nebenaggregat.

Ein Segen

Einem aus der Männerrunde überkommt es dann doch: "Na supa, hob ich mir 'docht. Jetzt isses aus." Jetzt stehe die Region um Heiligenkreuz im südlichen Burgenland wieder ohne ihren Leitbetrieb da. Wie vor 1997, als das Lyocell- Werk, in dem spezielle Zellulosefasern aus Holz hergestellt werden, endlich in Betrieb ging. Es war ein Segen für das fast nur von Kleingewerbe besiedelte Ziel-1-Gebiet. Vorher hatte es jahrelang eine Kampf um den Standort dieses Lyocell-Werkes gegeben, den schließlich das Burgenland gegen Oberösterreich gewann. 116 Mio. Euro wurden ins Werk in Heiligenkreuz investiert, 60 Mio. Euro flossen an Subventionen.

Aber es tauchten bald Probleme auf. Das Werk fuhr schwere Verluste ein, zu hoch waren die Erwartungen in die neue, umweltfreundliche Faser Lyocell. Dazu kamen technische Probleme. Zweimal brach Brand aus. In einem Worst-Case-Szenario rechnete man sogar mit einem Verlust von 130 Mio. Euro bis 2008.

Die Wende

Doch mit dem Jahrtausendwechsel kam die Wende, die Aufträge liefen an, und auch die Technik bekam man in den Griff. Für 2004 erwartete der Lenzing-Vorstand erstmals schwarze Zahlen, nachdem am 15. November eine zweite Produktionsschiene in Betrieb genommen und die Produktion auf rentable 40.000 Tonnen verdoppelt werden sollte. "Alle waren zuversichtlich, es herrschte eine Art Euphorie, und jetzt das", sagt der Heiligenkreuzer Bürgermeister Franz Mahr.

Lenzing-Vorstandschef Thomas Fahnemann beschwichtigte am Mittwoch in einer Pressekonferenz in Heiligenkreuz: Es seien keine gröberen Folgewirkungen zu erwarten, obzwar sich der Start der zweiten Produktionslinie nun verzögere. "In einigen Wochen" sei der Schaden im Ausmaß von sieben Mio. Euro behoben, so Fahnemann. "Die Dynamik wird natürlich gebremst." Ob die Geschäftsplanung eingehalten werde könne, sei aber unklar.

Auf das Lenzing-Konzernergebnis werde sich das Unglück nicht auswirken, zumal Lyocell mit bisher 20.000 Tonnen weniger als ein Prozent der Gesamtkonzernproduktion im Ausmaß von 360.000 Tonnen Fasern beisteuere. (Walter Müller, DER STANDARD Print-Ausgabe, 25.9.2003)