Berlin - Die Verhaftung eines ehemaligen Angehörigen des DDR-Staatsapparats unter dem Verdacht des mehrfachen Mordes hat möglicherweise Spuren zu bisher geheimen Stasi-Killerkommandos offen gelegt. Der Berliner "Tagesspiegel" (Freitagausgabe) meldete, die DDR-Führung habe in den 70-er und 80-er Jahren zwei Gruppen von Auftragsmördern in den Westen geschickt, die mindestens zwölf Personen umgebracht haben sollen.

Der Generalbundesanwalt hatte am Mittwoch in Karlsruhe mitgeteilt, der 53 Jahre alte Berliner Jürgen G. stehe "im dringenden Verdacht, zwischen 1976 und 1987 als Angehöriger eines im Staatsapparat der ehemaligen DDR angesiedelten Kommandos mehrere Personen getötet zu haben". Die Opfer hätten aus Sicht das DDR-Regimes Verrat begangen oder zu begehen gedroht.

Isolierte Einheiten

Bei den bekannt gewordenen Kommandogruppen mit je drei Tätern handelt es sich laut Zeitungsbericht nach um isolierte Einheiten, deren Mitglieder das Ministerium für Staatssicherheit aus der Nationalen Volksarmee rekrutiert habe. Ihre Operationen seien "extrem gut geführt" gewesen, zitierte die Zeitung einen Insider. Die logistische Unterstützung sei "hundertprozentig" abgesichert gewesen. Unklar bleibe, welche Diensteinheit die Terrorkommandos geführt habe und wo die übrigen fünf Mitglieder heute steckten.

Die "Berliner Zeitung" meldete, die Ermittlungen könnten Licht in einige msyteriöse Todesfälle von prominenten DDR-Bürgern und westlichen Staatsangehörigen bringen. Bisher hätten frühere Stasi-Offiziere und hohe SED-Funktionäre die Existenz staatlicher Mordkommandos stets bestritten.

Auf der Verdachtsliste stehen dem Bericht zufolge mehrere Todesfälle westlicher Geschäftspartner des von Alexander Schalck-Golodkowski geführten SED-Handelsimperiums Kommerzielle Koordinierung (Koko) sowie von früheren Mitarbeitern der DDR-Regierung und der Koko.

Vorerst keine offiziellen Informationen

Wenigstens drei Mordfälle, die von der Bundesanwaltschaft in Verbindung mit der DDR-Spezialeinheit gebracht würden, hätten sich im Ausland ereignet, berichtete das Blatt. Bei einem davon solle es sich um den Tod zweier schwedischer Journalistinnen in Stockholm 1984 handeln. Die Vermutungen wurden am Donnerstag nicht bestätigt. Die Sprecherin der Bundesanwaltschaft, Frauke-Katrin Scheuten, äußerte sich nicht zu Berichten und wollte keinerlei Einzelheiten bekannt geben. Weitergehende offizielle Informationen werde es auch in den nächsten Tagen nicht geben, sagte Scheuten. (APA)