Wien - Mit dem heutigen Zuschlag an den Sanierer Erhard Grossnigg beginnt ein neues Kapitel in der wechselvollen Geschichte der Wiener Porzellanmanufaktur Augarten. Der neue Eigentümer muss jetzt einen Scherbenhaufen der vergangenen Jahre kitten. Jahrelang wurden Verluste angehäuft, jetzt sind hohe Investitionen in einen Neuanfang nach dem Konkurs notwendig. Am 1. Oktober will Sanierer Grossnigg im Palais Augarten neu durchstarten.

Die bewegte Geschichte der Wiener Porzellanmanufaktur, der zweitältesten in Europa nach Meißen, geht auf das Jahr 1718 zurück. Am 25. Mai 1718 räumte Kaiser Karl VI., Vater von Maria-Theresia, dem Hofkriegsagenten Claudius Innocentius du Paquier für 25 Jahre das alleinige Recht ein, innerhalb der österreichischen Erblande Porzellan herzustellen.

Du Paquier richtete in der Roßau eine Manufaktur ein. 1744 folgte die erste "Pleite": Finanzprobleme zwangen ihn, die kleine Fabrik an den Staat zu verkaufen. Kaiserin Maria-Theresia richtete in der noch heute so benannten Porzellangasse die k.k. Aerarial-Manufactur ein.

In den darauf folgenden Jahrzehnten erlebte die Manufaktur einen Aufschwung. Berühmt waren im Rokoko Blumenmädchen- und Kavaliere-Nippes. 1780 stand die Firma neuerlich vor dem Ruin. Kaiser Josef II hatte kein Interesse an der teuren Fabrikation und wollte verkaufen. Nach vier Jahren vergeblicher Käufersuche blieb die Manufaktur aber in Staatsbesitz. Der "Wiener Kongress"-Tourismus verhalf dem Betrieb zu neuer Blüte. Das Porzellan aus Wien avancierte zu einem hoch geachteten Geschenk, vor allem als man Tafelservice für die feine Gesellschaft auflegte.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ging es wieder bergab: Die zunehmende Industrialisierung der Porzellanherstellung und scharfe Konkurrenz böhmischer Fabriken zwangen Kaiser Franz Josef, die Nobel-Manufaktur zu schließen. Der künstlerische Nachlass ging in die Verwaltung des Österreichischen Museums für Kunst und Industrie (heute Museum für Angewandte Kunst) über.

Erst 1923 wurde die Wiener Porzellanmanufaktur im Schloss Augarten wieder eröffnet und die Zusammenarbeit mit zeitgenössischen Künstlern wie Josef Hoffmann und Vertretern der Wiener Werkstätte wie Michael Powolny verstärkt. Die darauf folgenden Jahre sind gesellschaftsrechtlich wenig dokumentiert. Auf der Homepage des Unternehmens findet sich zur jüngeren Geschichte nichts, hohen zeitgenössischen Wert haben aber die umfangreichen Musterbücher über die weltbekannten Dekore aus Wien.

In den vergangenen Jahrzehnten setzte die Manufaktur, bereits als Teil der in der Wiener Holding zusammen gefassten Kommunalbetriebe, auf internationale Vertriebsexpansion und Verbreitung der Produktpalette sowie - erst in den allerletzten Jahren vor dem jetzigen Bankrott - auf ganz neue Linien wie Schmuck und Uhren sowie eine eigene Handtaschenkollektion. Für die weltweit bekannten sündteuren Porzellanfiguren (am bekanntesten wohl der Lippizaner-Reiter) blieben historisch relevante Kunden - u.a. hohe Gäste - angesichts knapper werdender Staatskassen immer mehr aus, heißt es.

Seit 1993 befand sich Augarten mehrheitlich unter Kontrolle der Bank Austria. Die Porzellanmanufaktur war im Zuge der Übernahme der Wiener-Holding-Betriebe mehrheitlich in den Besitz der Bank übergegangen, einen Minderheitsanteil hält die Wiener Städtische Versicherung. Zuletzt hielt die BA-CA nahe B&C Holding 82 Prozent und die Wiener Städtische 18 Prozent. Die Zeit danach war von - letztlich erfolglosen - Sanierungsbemühungen und scharfen Rationalisierungen geprägt.

In den zehn Jahren seit 1993 wurde die Mitarbeiterzahl von damals 260 Leuten auf zuletzt 130 halbiert. Der Umsatz mit den handbemalten Luxus-Porzellan brach von rund 11 Mio. Euro auf 5,9 Mio. Euro ein. Augarten fuhr allein in den vier Jahren zwischen 1994 und 1997 knapp 10 Mio. Euro Verlust ein. 2001 und 2002 brachten mehr als 4 Mio. Euro Minus. Am 16. Juli musste die Traditionsfirma Konkurs anmelden, nachdem der Haupteigentümer - die B&C Holding - kein Geld mehr einschießen wollte. In einem Bietergefecht zwischen dem Industriellen und Ex-Finanzminister Hannes Androsch und dem Sanierer Erhardt Grossnigg fiel heute Donnerstag in den frühen Morgenstunden die Entscheidung. Grossnigg wird Augarten inklusive der Marke um 3,8 Mio. Euro übernehmen und am 1. Oktober neu durchstarten.(APA)