Dem Justizminister dauern die Gerichtsverfahren zu lange. Säumigen Richtern droht die Dienstaufsicht. Fleißige Richter haben dagegen die besseren Karrierechancen

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Wien – Justizminister Dieter Böhmdorfer sind die zu langen Verfahren ein Dorn im Auge. Und er ärgert sich über die Richtervertreter, die dieses Problem zwar ebenfalls erkennen, in die Diskussion aber nur die Forderung nach mehr Personal einbringen. Böhmdorfer behauptet, dass sich bei Justiz und Volksanwaltschaft die Beschwerden über zu lange Verfahren häufen.

Im vergangenen Jahr waren in erster Instanz 1417 Zivilrechtsverfahren an Landesgerichten anhängig, die bereits länger als drei Jahre dauerten. Zählt man alle Verfahrensgattungen zusammen, sind es 15.340 offene Verfahren mit einer Dauer von mehr als drei Jahren. "Es gibt Verfahren, die objektiv zu lange dauern", sagt der leitende Staatsanwalt Walter Hadler vom Justizministerium. Das könne an den Sachverständigen, den Einsprüchen der Parteien, einem Richterwechsel oder auch an den Richtern selbst liegen. Und er bestätigt, dass sich daraus Verstöße gegen die Menschenrechtskonvention ergeben, in der das Recht auf eine angemessene Verfahrensdauer festgeschrieben ist. Hadler: "Wenn man zehn Jahre auf ein Urteil warten muss, kann das existenzbedrohend sein. Im internationalen Vergleich liegt Österreich aber immer noch sehr gut."

Zur Kontrolle werden Monatslisten mit offenen Verfahren angefertigt, die zuerst der Richter selbst erhält. Werden überlange Verfahren und Rückstände bei den Urteilsausfertigungen registriert, wird die Dienstaufsicht eingeschaltet. Schließlich wird "heraufberichtet" – an das Oberlandesgericht, dann an das Ministerium. Hadler will die Kontrolle aber als Leistungsanreiz verstanden wissen: "In den Bewerbungsformularen muss auch über den Verfahrensstand Auskunft gegeben werden. Wer rasch arbeitet, bei dem wird sich das positiv auf die künftige Karriere niederschlagen."

Im Interview mit der "Wiener Zeitung" schlug der Justizminister Amtshaftung für überlange Verfahren vor: Prinzipiell sollten Zivilverfahren nicht länger als ein Jahr dauern. Dauert ein Prozess länger als drei Jahre, sollten die Prozessparteien einen Anspruch auf Schadenersatz erhalten.

Amtshaftung würde nur dann nicht eintreten, wenn das Gericht beweisen kann, dass es die Verzögerung nicht verschuldet hat. Von rund 34.000 Zivilverfahren in erster Instanz würden derzeit 1.417 länger als drei Jahre dauern, erklärte Böhmdorfer.(völ/DER STANDARD, Printausgabe, 26.9.2003/APA, red)