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Vor zwei Jahren hängte Robert Mol im niederländischen Hoogvliet seinen ursprünglichen Beruf als Hausarzt an den Nagel. Bis heute haben 1500 Patienten in der Umgebung keinen eigenen Hausarzt. Doch im niederländischen Gesundheitssystem spielt der die Schlüsselrolle: Er kennt Krankengeschichte, Familie und Akten und entscheidet über Überweisungen an Spezialisten.

Viel Arbeit, die immer weniger Ärzte für immer mehr Patienten verrichten müssen. Der Beruf, bei dem man viel unterwegs ist, stets erreichbar sein muss und keine festen Arbeitszeiten hat, erscheint zunehmend unattraktiv. 2002 waren 100 von 4800 Praxen unbesetzt. In den nächsten sieben Jahren, so warnte unlängst das Magazin Elsevier, wird ein Drittel aller Hausärzte den Beruf aufgeben.

Abhilfe ist in Sicht - dank Robert Mol. Denn der 46-Jährige wechselte nicht einfach den Beruf, er erfand gleich einen neuen: den "E-Mail-Doktor". Er berät Patienten seit zwei Jahren per E-Mail und Telefon. Menschen, die keinen eigenen Hausarzt haben oder mit dem eigenen unzufrieden sind, können ihre Beschwerden in einem Mail schildern. Dann ruft Mol zurück und entscheidet aufgrund des Gesprächs, ob für die Diagnose ein persönlicher Kontakt notwendig ist. Falls ja, kann der Patient in die Sprechstunde kommen oder wird an einen Arzt in seiner Nähe weiterverwiesen. Falls nicht, kontaktiert Mol die nächstgelegene Apotheke und übermittelt das Rezept.

Kosten

Eine E-Mail-Beratung kostet zwölf Euro, ein Sprechstundenbesuch 24. Und ein Jahresabonnement gibt es für 87 Euro. Eine Krankenversicherung hat sich bereits gefunden, die die Kosten erstattet.

Als Mol seine virtuelle Praxis eröffnete, erhielt er selbst vom damaligen Gesundheitsminister Lob für die originelle Idee zur Bekämpfung des Hausärztemangels. In den Niederlanden klagt niemand darüber, dass der Kontakt mit der traditionsreichen Institution Hausarzt nun unpersönlich zu werden droht. Nach einer Umfrage des staatlichen Rats für Volksgesundheit unter Internetnutzern befürworten 75 Prozent den virtuellen Arztbesuch.

Dadurch, so argumentiert Mol, würden die Ärzte entlastet und könnten mehr Patienten betreuen. Fehldiagnosen scheint er nicht zu fürchten: "Nach meiner Erfahrung zwingt das E-Mail-Schreiben Patienten dazu, ihre Symptome genauer wiederzugeben, als dies beim Gespräch geschieht." Und im Gegensatz zu mündlich erteilten Ratschlägen könne ein Patient sich den Rat seines Arztes nun ausdrucken und vergesse ihn nicht mehr. (Klaus Bachmann aus Amsterdam/DER STANDARD, Printausgabe, 26.9.2003)