Berlin - Der deutsche Bundestag hat am heutigen Freitag die von Regierung (SPD, Grüne) und Union (CDU/CSU) ausgehandelte Gesundheitsreform verabschiedet. Sie soll nach Zustimmung des Bundesrats am 17. Oktober zum 1. Jänner 2004 in Kraft treten. Für Versicherte und Patienten ergeben sich gravierende Veränderungen, unter anderem eine Erhöhung der Selbstbeteiligung sowie zusätzliche Kosten für die Absicherung von Zahnersatz und Krankengeld.

Beitragssatz: Der durchschnittliche Beitragssatz der gesetzlichen Kassen von heute 14,3 Prozent soll 2004 auf 13,6 Prozent sinken. Die Verringerung geht nominell 2005 weiter auf 12,95 Prozent und 2006 auf 12,15 Prozent. Dies ist aber nur der wie bisher von Arbeitnehmer und Arbeitgeber jeweils zur Hälfte (paritätisch) finanzierte Beitrag. Auf den Arbeitnehmer kommen weitere Kosten durch Leistungsstreichungen zu: Ab 2005 muss er den Zahnersatz und ab 2006 auch das Krankengeld allein absichern.

Eigenbeteiligung von Versicherten: Ab 2005 soll der Zahnersatz keine normale Kassenleistung mehr sein. Versicherte sollen eine Zusatzversicherung bei ihrer Kasse oder einer Privatversicherung abschließen. Es gibt kein Rückkehrrecht in die Gesetzliche Krankenversicherung.

Ab 1. Jänner 2006 wird das Krankengeld allein vom Arbeitnehmer abgesichert. Dafür soll er über den vom Arbeitgeber mitfinanzierten Beitrag hinaus 0,5 Prozentpunkte Sonderbeitrag allein leisten. Grundsätzlich sollen Patienten bei allen Leistungen zehn Prozent zuzahlen, mindestens aber fünf und höchstens zehn Euro. Bei ärztlicher Behandlung wird eine Praxisgebühr von zehn Euro pro Quartal fällig. Beim Krankenhausaufenthalt zahlen Patienten zehn Euro pro Tag für maximal 28 Tage im Jahr zu.

Für alle Versicherten gilt eine Belastungsgrenze von zwei Prozent des Bruttoeinkommens, bei chronisch Kranken von einem Prozent. Für Arme gilt eine Härtefallregel, die die Zuzahlung begrenzt. Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr werden von allen Zuzahlungen befreit.

Nicht verschreibungspflichtige Medikamente werden nur noch in Ausnahmefällen erstattet. Brillen müssen selbst finanziert werden. Nur noch Sehhilfen für Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr sowie für schwer sehbeeinträchtigte Versicherte werden erstattet.

Fahrtkosten zur ambulanten Versorgung werden mit wenigen Ausnahmen nicht mehr erstattet. Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung werden eingeschränkt und müssen zu 50 Prozent selbst bezahlt werden. Leistungen wie Entbindungs- und Sterbegeld entfallen.

Versicherungsfremde Leistungen: Zur Gegenfinanzierung verbleibender versicherungsfremder Leistungen bei Schwanger- und Mutterschaft wird 2004 und 2005 die Tabaksteuer in drei Stufen um insgesamt einen Euro pro Packung angehoben. Dies soll für die Kassen 2004 rund eine Milliarde Euro Mehreinnahmen bringen, 2005 rund 2,5 Milliarden und ab 2006 etwa 4,2 Milliarden Euro.

Weitere Neuregelungen: Versicherte können künftig eine Patientenquittung verlangen. - Ab 2006 löst eine Gesundheitskarte die bisherige Krankenversicherungskarte ab. Versicherte können ohne vorherige Genehmigung durch die Kasse im EU-Ausland den Arzt aufsuchen. Gesetzliche Krankenkassen können mit privaten Versicherungen zusammenarbeiten, um Zusatzversicherungen anzubieten. Versicherte können bei Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen einen finanziellen Bonus erhalten.

Qualitätssicherung im Gesundheitswesen: Eine vom Staat unabhängige Stiftung für Qualität und Wirtschaftlichkeit soll den Nutzen medizinischer Leistungen überprüfen. Die Informationen sollen den Bürgern in allgemein verständlicher Sprache bereitgestellt werden. Ärzte und alle anderen im Gesundheitswesen Beschäftigten müssen sich kontinuierlich fortbilden. Sonst drohen Einschnitte bei ihrer Bezahlung. Medizinische Versorgungszentren unterschiedlicher Ärzte sollen grundsätzlich zugelassen werden. Krankenhäuser werden bei hochspezialisierten Leistungen für die ambulante Versorgung geöffnet. Die Zahl der Kassenärztlichen Vereinigungen wird von 23 auf 17 verringert.

Arzneimittelversorgung : Der Versandhandel für Medikamente wird erlaubt. Künftig darf ein Apotheker nicht nur eine, sondern insgesamt vier Apotheken in einer Region besitzen. Apotheker erhalten grundsätzlich eine Beratungspauschale unabhängig vom Arzneimittelpreis. (APA/AP)