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Herbertus Bikker vor dem deutschen Gericht

Foto: APA/dpa/Vennenbernd
Hagen - Im Prozess gegen den mutmaßlichen NS-Verbrecher Herbertus Bikker hat die deutsche Staatsanwaltschaft am Freitag die Anklage verlesen. Der 88-Jährige habe 1944 in den Niederlanden einen Widerstandskämpfer "grausam und aus niederen Beweggründen" ermordet. In den bisher vier Verhandlungstagen hatte das Landgericht Hagen Gutachten von fünf Ärzten eingeholt, um Bikkers Verhandlungsfähigkeit zu prüfen. Er selbst kam mit Gesundheitsproblemen zwei Mal ins Krankenhaus. Die Verteidigung beantragte am Freitag ein weiteres Gutachten. Das Gericht wollte dies am kommenden Montag entscheiden.

Gesundheitsrisiken

Das zusätzliche Gutachten soll klären, in wie weit Bikker verhandlungsfähig ist. Nach Aussagen mehrerer Ärzte leidet er an einer Herz-Erkrankung und Bluthochdruck. Gesundheitsrisiken durch den Prozess seien nicht auszuschließen. Dennoch könne der Angeklagte dem Prozess zwei Stunden pro Tag folgen. Vergangene Woche war Bikker mit Herzrhythmus-Störungen auf der Anklagebank zusammengebrochen.

Schweigen

Bikker äußerte sich nicht zu der Anklage. Sein Verteidiger sagte: "Herr Bikker wird auf unser Anraten hin nichts sagen, das soll aber kein Schuld-Eingeständnis sein." Bikker solle nicht gezwungen sein, sich selbst zu belasten.

Zudem glaube die Verteidigung nicht an einen fairen Prozess, weil die Öffentlichkeit den Mann bereits vorverurteilt habe. Die Verteidigung wies auf Zeitungsberichte hin, die falsche Angaben enthielten und Bikker als "Schlächter von Ommen" bezeichnet hätten.

Widerstandskämpfer

Aus Sicht der Anklage erschoss Bikker als Waffen-SS-Mann 1944 in der Nähe des Arbeitslagers Dalfsen den Widerstandskämpfer Jan Houtman. Bei einem Schuldspruch droht ihm lebenslange Haft. Nach dem Krieg war Bikker in den Niederlanden zum Tod verurteilt worden. Später wurde das Urteil in lebenslange Haft umgewandelt. 1952 floh der als "Schlächter von Ommen" bekannte Bikker zusammen mit sechs Mithäftlingen aus dem Gefängnis nach Deutschland.

Für niederländische NS-Kriegsverbrecher war Deutschland lange ein sicherer Zufluchtsort. Für ihren SS-Dienst bekamen sie noch in der Nazi-Zeit einen deutschen Pass. Die Bundesrepublik lieferte sie nicht aus, auch wenn sie in den Niederlanden verurteilt worden waren.

Im Fall Bikker entschied 1954 ein Gericht, die "Sieben von Breda" könnten wegen ihrer Nationalität nicht ausgeliefert werden. Ein Richter räumte ihnen sogar den Status politischer Flüchtlinge ein. In den Niederlanden rief dies große Empörung hervor. Den Haag verweigerte deshalb jahrzehntelang jede Hilfe beim Versuch deutscher Behörden, holländischen Kriegsverbrechern den Prozess zu machen. (APA/dpa)