Telekom
Siemens erwägt Neuordnung der Handy-Sparte
Joint Ventures mit zweitem Handyerzeuger erwogen - Neue Niederlassung in Moskau für 100 Millionen Euro
Angesichts eines verschärften internationalen
Wettbewerbs im Geschäft mit Mobiltelefonen und rückläufiger
Weltmarktanteile erwägt die Siemens
AG, München/Berlin,
offensichtlich eine Neuordnung ihrer Handy-Sparte. Spekulationen und
Vermutungen darüber gibt es im Markt bereits seit Monaten - mit
Überlegungen über die Gründung eines Joint Ventures bekamen sie am
Freitag neue Nahrung. Die Planspiele bei Siemens drehten sich um die
mögliche Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens für Handys,
berichtete das "Handelsblatt" (Freitagausgabe). Als mögliche Partner
werden die koreanische LG Electronics und NEC aus Japan genannt.
Beispielsweise
Vorbild für ein derartiges Zusammengehen könnte das vor vier
Jahren gegründete Joint Venture für Personalcomputer Fujitsu Siemens
sein, an dem beide Unternehmen mit jeweils 50 Prozent beteiligt sind.
Durch einen Partner könnte Siemens ihren Markennamen auf den Handys
beibehalten, gleichzeitig aber bei Entwicklung und Fertigung
Synergien erschließen. Käme der Partner noch dazu aus Asien, würde
dies Siemens den Marktzugang zu den aufstrebenden Märkten der Region
erleichtern, so die Überlegungen. Allerdings wäre die Gründung eines
Gemeinschaftsunternehmens nach einhelliger Meinung von Analysten für
Siemens "der Einstieg in den Ausstieg" aus dem Handy-Geschäft.
Siemens hielt sich zu dem Bericht bedeckt. Spekulationen würden
nicht kommentiert, erklärte ein Unternehmenssprecher. Zugleich
verwies er auf die Jahresprognose, wonach Siemens im Geschäftsjahr
2002/03 (30.9.) 38 bis 39 (Vorjahr 33) Millionen Handys absetzen möchte.
Siemens sei optimistisch, dieses Ziel zu erreichen. "Wir sind auf
einem guten Wachstumspfad", sagte der Sprecher. Im vierten Quartal
des zu Ende gehenden Geschäftsjahres sei das Mobilfunk-Geschäft
"deutlich im Aufwind". Bei der Beurteilung von Absatz und
Marktanteilen werde Siemens ein Resümee zum Jahresende ziehen - und
damit weniger der quartalsweisen Betrachtung durch Marktteilnehmer
folgen.
Details
Gerade die Beurteilung nach Quartalen aber ist für Siemens nicht
zufriedenstellend. So war der Anteil des Münchener Konzerns am
weltweiten Handymarkt zum Ende des zweiten Quartals im Kalenderjahr
2003 auf sieben Prozent von zuvor acht Prozent gesunken. Während
andere Hersteller nach Angaben des Marktforschungsunternehmens
Gartner Dataquest im Vergleich zum Vorjahresquartal zweistellige
Zuwachsraten hinlegten, musste Siemens ein Minus von zwei Prozent
verzeichnen.
Die Sorgen der Handy-Sparte, eines von fünf Geschäftsgebieten im
Siemens-Bereich Information and Communication Mobile (ICM)
beschäftigen den Konzern seit geraumer Zeit. Der Markt ist geprägt
durch einen steigenden Druck auf die Gewinnmargen durch immer neue
Billighandys insbesondere asiatischer Hersteller. Zudem hat es
Siemens nach Einschätzung von Analysten bislang nicht vermocht,
kontinuierlich über den Jahreszyklus hinweg einen Fluss neuer
Handy-Modelle auf den Markt zu bringen, der zugeschnitten auf die
Bedürfnisse von Nutzergruppen ist.
Beliebt
Beispielsweise fehlten lange Zeit im Siemens-Sortiment
aufklappbare Mobiltelefone, die sich in Asien großer Beliebtheit
erfreuen und etwa Samsung hohe Zuwachsraten sicherten. Hinzu kommt,
dass die Fertigung in Asien durch die deutlich geringeren Lohnkosten
enorme Vorteile gegenüber der Handy-Produktion in Deutschland bringt.
ICM erzielte im Geschäftsjahr 2001/02 ein Ergebnis von 96 (Vj minus
307) Millionen Euro, bleibt jedoch hinter den Renditevorgaben des Konzerns
zurück. Anfang September hatte Ian Moyes die Verantwortung für die
Handy-Sparte übernommen, nachdem Mitte Mai der bisherige Leiter Peter
Zapf aus "internen Gründen" ausgeschieden war.
Gerüchte über eine Neuordnung des Handy-Geschäfts beschäftigen
Siemens schon lange. Vergangenes Jahr wurde im Markt spekuliert,
Siemens könnte sein Handy-Geschäft gegen den Infrastrukturbereich von
Motorola tauschen. Allerdings hatte ICM-Vorstand Rudi Lamprecht
diesen Gerüchten erst Ende August eine Absage erteilt. Siemens werde
sowohl das Handy-Geschäfts als auch den Bereich Infrastruktur
"stärken und versuchen, uns kontinuierlich besser zu positionieren",
sagte Lamprecht im Interview der "Börsenzeitung".
Moskau
Währenddessen hat der Siemens-Konzern in der russischen
Hauptstadt Moskau den Grundstein für eine 100 Millionen Euro teure
Niederlassung gelegt. "Ich bin voller Zuversicht für eine gute
Zukunft in Russland", sagte der Vorstandsvorsitzende Heinrich von
Pierer am Freitag in Moskau. Der Bau der russischen Niederlassung sei
die mit Abstand größte Siemens-Investition in ein Verwaltungsgebäude
seit vielen Jahren. Teile des Gebäudes sollten vermietet werden.
Siemens will seine Geschäfte in den Bereichen Telekommunikation
und Energiewirtschaft in Russland ausweiten. In den kommenden Jahren
werde sein Unternehmen 100 Millionen Euro in den russischen Markt
investieren, kündigte von Pierer an. Der Konzern beschäftige derzeit
1500 Mitarbeiter in Russland. Im April hatte das Unternehmen in der
früheren Hauptstadt Sankt Petersburg gemeinsam mit Bundeskanzler
Gerhard Schröder und Präsident Wladimir Putin das 150-jährige
Jubiläum von Siemens auf dem russischen Markt gefeiert. (APA)