MODERATOR | derStandard.at begrüßt Herrn Hofinger. Der Chat kann beginnen, wir bitten um Fragen ... |
Christoph Hofinger | ![]() Begrüße alle Interessierten Chatteilnehmer und freue mich auf Ihre Fragen. |
kalind | wie gehts ihrer Einschätzung nach mit der FPÖ weiter? |
Christoph Hofinger | Die FPÖ wird versuchen der Bundesregierung stärker ihren Stempel aufzudrücken und dabei die Eine oder Andere Kurskorrektur von der ÖVP einfordern. Bei den Landtagswahlen im nächsten Frühjahr stehen bereits die nächsten Niederlagen für die FPÖ ins Haus. |
Christoph Hofinger | Das wird in der Partei das Gefühl verstärken das es so nicht mehr weitergehen kann. |
pieter | Was war gestern mit den Hochrechungen los? Warum waren die Unterschiede zwischen ORF und den Landesregierungen so groß? |
Christoph Hofinger | Die Schwierigkeit ist bei Hochrechnungen in Bundesländern die Landeshauptstädte vorherzusagen, sowohl Linz als auch Innsbruck wählten gegen den Landestrend und je nach Einschätzung dieser Unterschiede gab es verschiedene Hochrechnungen. |
lillycy | engagieren sich die parteien genug bei den nichtwählern? |
Christoph Hofinger |
gute Frage. In ganz Europa sinkt die Wahlbeteiligung vor allem bei den jüngeren WählerInnen und hier sollten die Parteien gegensteuern.
In Tirol hat die ÖVP angekündigt die absolute Mehrheit erreichen zu wollen, aus Studien wissen wir dass dies die Wähler von den Urnen fern hält, weil sie denken die Wahl ist schon entschieden. |
kalind | Wenn Haider kommen würde, würde das den Absturz der FPÖ bei den Wahlen beenden? |
Christoph Hofinger | Jörg Haider ist der unpopulärste Politiker Österreichs und hat selbst bei den FPÖ Wählern nicht mehr viele Anhänger mit Ausnahme Kärntens. Er würde die FPÖ bei einer Nationalratswahl in eine weitere Niederlage führen. |
MODERATOR | Und in Kärnten - Wird er nächstes Jahr wieder Landeshauptmann? |
Christoph Hofinger |
Ja, wenn ihn die ÖVP dazu macht. Die SPÖ wird in Kärnten ziemlich sicher Nummer 1, wird aber vermutlich nicht die absolute Mehrheit bekommen.
Jörg Haider darf es sich deswegen nicht mit der ÖVP verscherzen, ein weiterer Grund nicht mutwillig Nationalratswahlen vom Zaun zu brechen. |
NBERGMANN | Stehen die Grünen unmittelbar vor einem Regierungseintritt? |
Christoph Hofinger | Die Grünen haben in OÖ sehr gezielt auf eine Beteiligung an der Regierung zugesteuert und das dürfte sich auch erfüllt haben. Den Anspruch der Grünen von der Protest- zur Gestaltungspartei zu werden teilen auch die eigenen Wähler, die sich einen Regierungseintritt wünschen. |
kalind | Das heißt die FPÖ wird auch in Kärnten verlieren? |
Christoph Hofinger | Die FPÖ liegt in Kärnten derzeit an zweiter Stelle hinter der SPÖ. Sie braucht einen fulminanten Wahlkampf um sie noch zu überholen. |
NBERGMANN | Könnten die Grünen der SPÖ in Kärnten zum Landeshauptmann verhelfen? |
Christoph Hofinger |
Wegen des Wahlrechts wird es für die Grünen in Kärnten schwer in den Landtag zu kommen (10% Hürde). Allerdings ist bei Überschreiten dieser Hürde eine Rot-Grüne Mehrheit im Kärntner Landtag denkbar.
Die Grünen können sich die Chance Jörg Haider abzuwählen, dann schwer entgehen lassen. |
kalind | Warum haben die Grünen in Tirol soviel zugelegt? Transit? Person Willi? Schwache SPÖ? |
Christoph Hofinger |
Transit spielte eine Rolle, ebenso wie die Zerstrittenheit der FPÖ und dass die SPÖ in Tirol nicht ein Thema wie die VOEST hatte. Außerdem haben sie sich gegen den Landeshauptmann positioniert und van Staa hat ihnen den Gefallen gemacht im Wahlkampf diesen Fehdehandschuh aufzugreifen.
Georg Willi hat dies auch glaubwürdig transportiert und in der Auseinandersetzung mit van Staa Profil gewonnen. |
kalind | Welchen Einfluß hat die Performance Gusenbauers auf einen möglichen Aufwind der SPÖ? |
Christoph Hofinger |
Alfred Gusenbauer und die Bundes-SPÖ haben sehr stark gegen die Maßnahmen der Bundesregierung Stellung bezogen und auch durch die sog. Annäherung an die FPÖ gezeigt dass diese sich schwer tut sich
gegenüber der ÖVP durchzusetzen.
Die Bundes-SPÖ hat somit eine Grundstimmung gegen Schwarz-Blau verstärkt und das ergab Rückenwind für die Landesparteien. |
kalind | Wie sollte ihrer Meinung nach die Strategie der SPÖ in den nächsten Monaten sein? |
Christoph Hofinger |
Die SPÖ hat bei diesen Wahlen nicht nur FPÖ sondern sogar etwas mehr ÖVP Stimmen bekommen. Wenn es ihr gelingt diese zu halten hat die SPÖ wieder Chancen Nummer 1 zu werden. So wie derzeit auch in den Umfragen.
Wichtig für die SPÖ ist, dass sie ihre eigenen Werte wie zum Beispiel soz. Gerechtigkeit in den Vordergrund stellen kann und die von Schwarz-Blau transportierte Agenda (Privatisierung, Sparen) in den Hintergrund tritt. |
lillycy | pühringers kritik an der bundesövp kommt nach der wahl. hätte er diesbezüglich einen kantigeren wahlkampf führen müssen? |
Christoph Hofinger | Auch das hätte ihn vermutlich wenig genutzt. Auch ist ein zu forsches Auftreten für einen Landeshauptmann nicht immer ratsam. Am meisten hätte es ihm genutzt, wenn er die VOEST Privatisierung verhindern hätte können. |
masarte | bedeuten die (leichten) kurszuwächse der övp nun, dass in tirol und oö die wähler mit dem bundes-övp-kurs einverstanden sind? |
Christoph Hofinger |
Wenn die WählerInnen in den Bundesländern mit dem Bundeskurs der ÖVP einverstanden gewesen wären, wären weniger ÖVP Wähler zur SPÖ gegangen oder daheim geblieben.
Dann hätte Pühringer die Absolute und van Staa ein Stoiber-Ergebnis wie in Bayern. |
kalind | In welcher Gefahr befindet sich jetzt die Bundes ÖVP? Oder kann sie so weiter tun wie bisher? |
Christoph Hofinger |
Die erste Gefahr ist, dass der Koalitionspartner FPÖ noch schwieriger zu beherrschen wird. Die zweite dass die Spannungen innerhalb der ÖVP zw. Bund und Ländern steigen.
Es wird schwieriger unpopuläre Reformen wie zum Beispiel die Harmonisierung des Pensionssystems durchzuziehen. |
Vafanbagnio | hr. molterer hat gestern gemeint - es ist wichtig für die partei eine klare linie zu haben, glauben sie hätte phüringer besser abgeschnitten, hätte er sich pro vöst verkauf positioniert ? |
Christoph Hofinger | 80 % der OÖer waren gegen den VOEST Verkauf. Auch die Mehrheit der ÖVP Anhänger. Diese Linie hätte ihm nicht geholfen, im Gegenteil. |
Vafanbagnio | hat die spö wirklich gewonnen, oder nur kurzfristig protestwähler um sich gescharrt ? |
Christoph Hofinger | Wie nachhaltig diese Gewinne sind, lässt sich derzeit nicht sagen. Sie würden dann wieder zurückgehen, wenn die Proteststimmung gegen Schwarz-Blau verschwindet. |
NBERGMANN | Wie sieht die Lage in Salzburg aus (Landtagswahlen im März 2004). Wird sich der Höhenflug der SPÖ noch beschleundigen und es tatsächlich zu einem Machtwechsel kommen? |
Christoph Hofinger |
Der Machtwechsel in Salzburg ist nicht mehr auszuschließen. Das wird sicher ein spannendes Duell zwischen Schausberger und
Burgstaller.
Wie dieses Duell ausgeht kann aber heute noch niemand prognostizieren. |
kalind | Warum glauben die Leute es ist eh egal ob sie zur Wahl gehen oder nicht? |
Christoph Hofinger |
In OÖ haben immerhin fast 80% geglaubt dass es nicht egal ist. Im europäischen Vergleich ist das immer noch respektabel.
In Tirol schien der Ausgang festzustehen. Als Tiroler habe ich da fast ein bisschen Verständnis, dass bei so schönem Wetter viele einen Herbst-Ausflug vorgezogen haben. Außerdem konnten die Parteien keine griffigen Themen einbringen und beim Transit waren sich alle einig. |
musil69 | wuerden Sie Erich Haider dazu raten, sich mithilfe von FPÖ und Grünen zum LH kueren zu lassen, bzw. mit ihnen zu verhandeln? oder besser pühringer den vortritt lassen, aber zugeständnisse bei der bildung der landesregierung zu verlangen? |
Christoph Hofinger | Für Erich Haider kommt vielleicht keine bessere Gelegenheit mehr als jetzt, den Anspruch auf den Landeshauptmann zu stellen. Allerdings müsste er die FPÖ und die Grünen in sein Boot holen. |
lustige lotte | es wird viel über den populismus haiders (oö) gesprochen, wie ist der "neue" populismus der konservativen (stoiber, van staa) zu werten? |
Christoph Hofinger |
Die Parteien haben sich in den letzten Jahrzehnten professionalisiert was die Kommunikation betrifft. Dazu gehört Zuspitzung, Vereinfachung und Wiederholung. Alle genannten Personen beherrschen diese Techniken.
Zu messen sind Politiker aber nicht nur daran, was sie ihm Wahlkampf sagen sondern was sie mit ihrer Macht tun und ob sie hierbei auch populistisch agieren. In diesem Fall wäre diese Entwicklung zu bedauern. |
NBERGMANN | Wie beliebt ist Schüssel? |
Christoph Hofinger | Seine Umfragewerte sind besser als in der ersten Phase von Schwarz-Blau aber nicht so gut wie die früherer Bundeskanzler. |
Vafanbagnio | wie lange wird sich umfaller haupt noch halten ? |
Christoph Hofinger | Das ist schwieriger zu prognostizieren als das Wetter. Was für ihn spricht ist sein Beharrungsvermögen und dass im Moment vielleicht niemand seinen Job will. |
cilli | mögen die österreicher wirklich keine konsequenzen oder sind unsere politiker nur zu bequem für rücktritte? |
Christoph Hofinger | Es gibt in Ö keine sehr entwickelte Rücktrittskultur im Gegensatz zu Deutschland. Letztendlich muss aber eine Organisation wie eine Partei einen Rücktritt entscheiden und nicht nur der betroffene Politiker. |
kalind | Hat Schüssel die Auswirkungen des VOEST Verkaufs unterschätzt? |
Christoph Hofinger | Der Bundeskanzler hat vermutlich gehofft, dass das Thema vom Tisch ist wenn der Verkauf vor der Landtagswahl über die Bühne geht. |
NBERGMANN | Glauben Sie haben die Wähler sich eher emotional leiten lassen, oder gibt es sachliche Gründe, die dem Wähler in seiner Entscheidung recht geben? |
Christoph Hofinger | Wahlentscheidungen sind meistens ein Zusammenwirken von Emotion und Denken. Parteien machen oft den Fehler, dass sie sich nur auf eine der beiden Ebenen konzentrieren. |
NBERGMANN | Spielen die Christlichen Wähler (enttäuschte Övp-Wähler) tatsächlich eine Rolle bei den Grünen? |
Christoph Hofinger | In OÖ haben die Grünen ein Drittel ihrer neuen Wähler von der ÖVP. Die Grünen bekommen vor allem die ÖVP Wähler, die der Meinung sind, dass die ÖVP nicht mit der FPÖ koalieren sollte. |
kwinnie | wie kriegt man eigentlich raus, welche waehlerInnen von wem zu wem gewandert sind? das find ich immerfaszinierend.. |
Christoph Hofinger |
ich auch ! In aller Kürze: wenn in allen Gemeinden wo eine Partei stark verloren hat, eine Andere stark gewonnen hat "entdeckt" unser statistisches Verfahren einen Wählerstrom.
Das funktioniert ganz ohne Umfragen, wobei wir unsere Ergebnisse manchmal mit Umfragen vergleichen und die Befunde sind meistens sehr ähnlich. |
kalind | Ist es der SPÖ gelungen ehemailige FPÖ Wähler zu gewinnen und der ÖVP nicht? Oder haben eher ehemalige Nichtwähler SPÖ gewählt? |
Christoph Hofinger |
In OÖ sind 20% der FPÖ Wähler von 1997 zur SPÖ und 16% zur ÖVP gegangen. In Tirol 11% zur ÖVP und 5% zur SPÖ.
Die SPÖ hat in OÖ auch 20.000 Nichtwähler mobilisiert, soviel wie alle anderen Parteien zusammen. |
NBERGMANN | Wie haben sich die jüngsten Wähler verhalten? |
Christoph Hofinger | Dazu habe ich leider keine Daten. Vermutlich waren die Grünen hier besonders stark. |
chiao | die grünen haben das erst mal gute prognosen mit in die whal tragen können. eine einmalige erscheinung oder manifestiert sich da ein trend |
Christoph Hofinger |
Die Grünen werden bei ihren Wahlkämpfen immer professioneller. Wichtig ist es den WählerInnen klare Ziele zu vermitteln wie
zum Beispiel die Beteiligung an der Regierung in OÖ.
Was auch sehr wichtig ist, dass alle Wahlhelfer bis zum Schluss motiviert sind und dass die Botschaften zugespitzt werden. Das ist offenbar in Tirol und OÖ gelungen. |
Vafanbagnio | hat eine neue liberale partei a la lif - paltz im österreichischen spektrum ? |
Christoph Hofinger | Derzeit wäre es nicht leicht für eine fünfte Partei, außer sie findet eine ganz klare Positionierung. Das Problem beim LIF war, dass sie wirtschaftspolitisch rechts und gesellschaftspolitisch links waren. Diese Positionierung war und ist nicht leicht einer breiteren Wählerschaft zu vermitteln. |
Dust | Warum hat die ÖVP nicht verloren? |
Christoph Hofinger | Weil sie Stimmen von der FPÖ bekommen hat. In Tirol und OÖ hat sie in absoluten Stimmen trotz dieses Zustromes ein Minus. |
-georg | wie tragfähig wäre eine grün-schwarze Koalition in der Wählerschaft? |
Christoph Hofinger |
Das hängt davon ab, welche Politik so eine Koalition machen würde. An sich würde dadurch ein breiter Teil der Wählerschaft abgedeckt werden.
Wenn aber zum Beispiel Arbeiterschichten das Gefühl haben, dass ihre Interessen dort nicht vertreten werden, würde es schwer werden. Aber das hängt von den Maßnahmen so einer Koalition ab. |
Wednesday | ist die fpö in ihren augen noch zu retten? |
Christoph Hofinger | Wenn "retten" heißt, dass sie in Parlament und Landtagen bleibt -> ja. Dass sie wieder ihre frühere Größe erreicht -> nein. |
kalind | Gehen Sie davon aus, dass die Koalition in Wien zumindest bis nach den Kärtner Wahlen halten wird? |
Christoph Hofinger | Die FPÖ war in den letzten 12 Monaten nicht leicht vorherzusagen, aber ich denke ja. |
NBERGMANN | Richt die Luft nach Regierungswechsel (Meinungsumschwung) in Österreich ? |
Christoph Hofinger | Die Wählerströme bei den gestrigen Wahlen deuten darauf hin. Wie aber die letzte Nationalratswahl gezeigt hat, entscheidet sich dann alles erst in den letzten Wochen vor der Wahl. |
MODERATOR | Das wars. derStandard.at bedankt sich bei Herrn Hofinger und den UserInnen. Auf Wiederchatten. |
Christoph Hofinger | Danke, hat Spaß gemacht. Weitere Infos auf www.sora.at/wahlen |
Inland
Meinungsforscher Hofinger im derStandard.at- <b>Chat</b>: "Haider darf es sich mit der ÖVP nicht verscherzen"
Der SORA-Chef: Wählerströme von Tirol und OÖ deuten zwar auf Meinungswechsel in der Bevölkerung hin, Schwarz-Blau wird aber bis nach der Kärnten-Wahl halten
Christoph Hofinger leitet gemeinsam mit Günther Ogris das Sozialforschungsinstitut SORA
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beantwortet Hofinger Fragen der UserInnen zu den Ergebnissen der Landtagswahlen in Oberösterreich und Tirol und deren mögliche Auswirkungen.