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"Eines muss sich die Regierung klar werden", sagt Jörg Haider, "Grasser muss zurückgepfiffen werden"

Foto: APA/Gindl
Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider sucht die Schuld für das Wahldebakel der FPÖ in Wien und bei Finanzminister Karl-Heinz Grasser. Schwere Kritik übt er auch an Parteichef Herbert Haupt: "Das muss sich in der FPÖ aufhören." Mit Haider sprach Elisabeth Steiner.

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STANDARD: Die Landtagswahlen in Oberösterreich und Tirol haben ein neuerliches Debakel für die FPÖ gebracht. Was sind die Gründe dafür?

Haider: Das ist kein Debakel für die FPÖ allein, sondern für die gesamte Koalition. Die Regierung und Bundeskanzler Wolfgang Schüssel müssen sich darüber im Klaren sein, dass ihre Politik so angreifbar ist, dass sich die Opposition über ihre eigenen Leistungen den Kopf nicht mehr zerbrechen muss.

Es ist aber vor allem auch Karl-Heinz Grasser, der der Bundesregierung seine neoliberale Politik aufzwingt. Alle Angriffspunkte der Opposition beziehen sich auf Grassers Politik. Etwa die Unfallrentenbesteuerung, die Pensionsreform und das Debakel um die Voest-Privatisierung. Oder sein Nulldefizit-Fetischismus, mit dem er die Konjunktur abgewürgt hat. Das lässt sich herrlich von der Opposition instrumentalisieren. Für unsere Wählerschaft, für die kleinen Leute ist das alles nicht nachvollziehbar.

STANDARD: Die einstige Bewegung der kleinen Leute befindet sich auf dem Sturzflug zurück zur Kleinpartei.

Haider: Natürlich ist es schlimm, wenn wir in den Bundesländern zur vierten Partei herabsinken. Dieser Abwärtstrend kann nur dann gestoppt werden, wenn wir dieser neoliberalen Politik eine klare Linie entgegensetzen. Über eines muss sich die ^Regierung klar werden: Grasser muss zurückgepfiffen werden.

STANDARD: Was kann denn eine neuerlich massiv geschwächte FPÖ in der Bundesregierung gegen die ÖVP überhaupt noch durchsetzen?

Haider: Die FPÖ muss Widerstand leisten. Das kann man auch als kleiner Partner tun. In der Bundesregierung herrscht ja das Einstimmigkeitsprinzip.

STANDARD: Hat das Wahldebakel der FPÖ Auswirkungen auf die Koalition?

Haider: Ich wage keine Prognose mehr, ob die Ankündigungen einer klareren Linie durch den Parteiobmann auch zu entsprechenden Handlungen führen.

STANDARD: Ist das eine Kritik an Parteiobmann Herbert Haupt?

Haider: Wenn wir ihn fragen, etwa zur Voest-Problematik, "Stehst du einen härteren Kurs durch?" - und am nächsten Tag war es wieder anders, dann kann das nicht funktionieren. Das muss sich in der FPÖ aufhören.

STANDARD: Ist ein Führungswechsel in der FPÖ angesagt?

Haider: Das alleine kann nicht die Frage sein. Die gesamte FPÖ bedarf einer Neuorientierung ihrer Politik, und zwar wieder dorthin, wo unsere Kernthemen sind: Sicherheitspolitik, Ausländerpolitik, Steuerreform. Bei der ÖBB-Reform kommt überhaupt nicht durch, dass wir jetzt die Aufräumarbeit nach 30 Jahren sozialistischer Misswirtschaft machen.

STANDARD: Ist Ihr Angebot, an die Parteispritze zurückzukehren, noch aufrecht?

Haider: Ich helfe gern überall mit, die FPÖ wieder auf Erfolgskurs zu bringen. Ich hab’ aber keine Lust, dabei nur als Statist zu wirken. Ich habe mit Herbert Haupt einmal etwas ausgemacht gehabt. Jetzt ist das Thema einmal abgehakt. Es gibt nur eine Chance für die FPÖ: Am Erfolgsmodell Kärnten zeigen, wie’s geht. Am Kärntner Wesen werden die Republik und die FPÖ genesen.

STANDARD: Ist eine Abspaltung der Kärntner FPÖ nach dem CSU-Modell noch aktuell?

Haider: Wir gehen ohnehin inhaltlich einen eigenständigen Weg. Und der Erfolg in Kärnten gibt uns Recht. Wir haben Kraft genug, dass wir es schaffen werden, stimmenstärkste Partei zu bleiben. Wir haben Weichenstellungen vorgenommen, die eine sichtbare Verbesserung der wirtschaftlichen Situation gebracht haben: vom Kindergeld angefangen, über die Schaffung von Betreuungsplätzen oder die Lehrlingsoffensive. Bei uns erhält jeder Lehrling einen Lehrplatz, jeder junge Mensch einen Job. Wir sind in Kärnten viel sozialer, als es die SPÖ jemals war. Wir haben das größte Beschäftigungswachstum von allen Bundesländern. Wir haben erfolgreich in den Hightechstandort und in Ausbildung investiert. Und wir haben erfolgreich das Landesbudget saniert.

STANDARD: Der Kärntner Wirtschaftskammerpräsident Franz Pacher wirft Ihnen verfehlte Wirtschaftspolitik vor.

Haider: Er muss nur darauf hören, was sein eigener Chef Leitl sagt. Der hat festgestellt, wie gut sich Kärntens Wirtschaft in den letzten drei Jahren entwickelt hat. Der größte Teil der Kärntner Kammerbeiträge wird nicht für Wirtschaftsförderung, sondern für die Kammerfunktionäre verbraucht. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30.9.2003)