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Berlusconi macht TV-Werbung für seine Pensionsreform

foto: reuters/BIANCHI
Silvio Berlusconi ist immer für Überraschungen gut. Davon konnten sich Montag Millionen TV-Seher überzeugen, als sie nach der Tagesschau unerwartet vom Premier mit "Liebe Freundinnen und Freunde" begrüßt wurden. In einer Rede an die Nation versuchte er, die Italiener von der Notwendigkeit einer Pensionsreform zu überzeugen.

Dass sein Auftritt gleichzeitig auf allen drei Kanälen der staatlichen RAI übertragen wurde, hat indes heftige Streitereien ausgelöst. Die Opposition sprach von einem "Wahlkampfspot, um die gähnende Leere zu übertünchen". RAI-Präsidentin Lucia Annunziata hatte vom Fernsehauftritt ebenso wenig erfahren wie die zuständige parlamentarische Kontrollkommission.

Berlusconis Rede wurde von einem privaten Kamerateam aufgezeichnet und direkt aus dem Chigi-Palast ausgestrahlt. "Sinkende Geburtenraten und die steigende Lebenserwartung zwingen uns zu einer Reform, die nicht weiter verzögert werden kann", erklärte Berlusconi. Deutschland, Österreich und Frankreich hätten ihre Hausaufgaben bereits erledigt.

Dann erläuterte der Premier die Eckpunkte der Reform. Demnach können die Italiener bis 2008 weiterhin mit 35 Arbeitsjahren in Pension gehen. Wer freiwillig bleibt, soll mit einer Lohnerhöhung von 32,7 Prozent belohnt werden. Ab 2008 sind für die Pensionierung mindestens 40 Arbeitsjahre erforderlich. Pensionen über 60.000 € jährlich werden mit einer zweiprozentigen Steuer belegt. Die hohe Zahl der Invalidenrenten soll durch entsprechende Kontrollen reduziert werden.

Die Gewerkschaften haben unmittelbar nach Berlusconis Rede für 24. Oktober einen Generalstreik angekündigt. Der Unternehmerverband Confindustria hält die angekündigten Maßnahmen für unzureichend. Die Wirtschaftszeitung Il sole-24 ore sprach von einer "Mini-Reform". Nach wochenlangem Tauziehen verabschiedete die Regierung am Montag auch das Haushaltsrahmengesetz. Eine Amnestie für Bausünder soll drei Milliarden € in die leeren Staatskassen bringen. Gegen Bezahlung können nicht genehmigte Bauten bis zu 250 Quadratmetern legalisiert werden.

Koalitionsstreit

Der Zwist in der Regierungskoalition hielt indes weiter an. Die Nationale Allianz (AN) forderte den Ausschluss der Lega Nord aus der Regierung. In diesem Fall würde die Regierung im Senat ihre Mehrheit verlieren. AN-Chef Gianfranco Fini sieht sich wegen seiner konzilianten Haltung in der eigenen Partei massiver Kritik ausgesetzt. Auch die Christdemokraten fordern eine "Disziplinierung" der Lega. Eine neue Zerreißprobe droht Mittwoch bei der Abstimmung über das umstrittene Mediengesetz in der Kammer. Vor diesem Hintergrund gilt trotz Berlusconis Widerstand eine größere Regierungsumbildung unmittelbar nach Ablauf des sechsmonatigen italienischen EU-Vorsitzes als unvermeidbar. (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 1.10.2003)