Einige Beispiele für künftige Bewohner des Internet-Gartens.

Foto/Grafik: Lois & Franziska Weinberger + Wilhelm Gockner

Normalerweise geht das ja so 'rum: Nach intensivem Studium von Katalogen, die von kindskopfgroßen Erdbeeren über originalsüdchinesische Gräser bis hin zu immerbunten Komplettbastelsätzen für den vorbildlichen Reihenhausgarten alles anbieten, was ertragreich Wurzeln schlägt, wird bestellt, was einige Kübel Wasser später das Idyll bilden soll. Unter Idyll muss man sich etwas vorstellen, das originell ist. Und unter originell muss man sich alles vorstellen, was beim Nachbarfreizeitgärtner Neid hervorruft. Bis der dann auch bestellt. Und gnadenlos zurückpflanzt. Man nennt das Wirtschaftswachstum.

Aber egal. Es geht auch so: "Schicken Sie uns eine Pflanze!" Ein Gänseblümchen kann das sein, oder auch eine Onopordon Illyricum. Verfassen Sie ein paar Zeilen dazu, merken Sie zum Beispiel an, wo Sie Ihre Einsendung gefunden haben, wie oft sie blüht, was sie mag und was nicht. Wenn Sie das nicht wissen, ist das jetzt auch wieder egal. Und: Pflanzen gibt es überall, auch im Jenseits der Blumenländer. Am Parkplatz davor etwa, in Mittel-und auch Pannenstreifen, beim Mist, beim Bus, am Schotterteich, im Industriegebiet. Was Sie jetzt noch wissen müssen: "Reißen Sie die Pflanzen nicht aus, machen Sie sich und uns bloß ein Bild davon, ein digitales am besten. Und schicken Sie es an internetgarten@loisweinberger.net. Fertig.

Alles Weitere machen dann Lois und Franziska Weinberger und Wilhelm Gockner. Aha, werden Sie jetzt sagen, der Weinberger, das wird sicher wieder so ein perfekt provisorisches Gebiet, das wird wieder so ein Wildwuchs, der keinen Zaun nicht achten wird! Und wie recht Sie damit haben. Natürlich stecken Weinbergers dahinter. Natürlich wird wieder alles gleichgemacht. Natürlich herrscht dort, auch was die Aufmerksamkeit betrifft, ein strenges Gießkannenprinzip. Natürlich hat da die Mutterpelargonie der Taubnessel nichts voraus, die Rose nichts dem Wegerich. Und: Schädlingsbekämpfungsanleitungen brauchen Sie erst gar nicht mitzuschicken. Weil: Genau! Und noch was: Sie verzichten auf alle Rechte an den Pflanzen. Auch auf die Bildrechte. Das ist erstens pädagogisch sehr wertvoll, und zweitens unabdingbar für so einen grenzenlosen Garten, der da als fiktiver global bewachsener Raum entstehen soll. An Ihren Einsendungen wird auch gnadenlos herumrecherchiert. Ihre Belegexemplare werden außerdem in den jeweils entsprechenden Klima- und Bodenverhältnissen eingepflanzt. Dann braucht man nämlich weder Turbodünger noch Schneck-Ex. Und: Das passt zusammen! Das bildet einen Kosmos von Beifuss und Ampfer, von Wiesenknöterich und Ackersenf, von Käsepappel nebst wilder Möhre.

"Und so ein Kosmos", sagt zum Beispiel Annelie Pohlen vom Bonner Kunstverein, "bietet sich dar als ein präzise recherchierter und poetisch kodifizierter Raum für ebenso dynamisch wuchernde wie fragile Vorstellungen von antinormativen gesellschaftlichen wie natürlichen Lebensprozessen. Das perfekt provisorische Gebiet ist der Raum für alltägliche Handlungen an einem nach alltäglichen Normen ,falschen Ort', das Gebiet des und der anderen, die für sich selbst auftreten und zugleich Metapher für eine andere, nicht mehr alltägliche mentale Ordnung sind." Dem ist jetzt nichts hinzuzufügen. Auch wenn Sie jetzt sagen: "Schon wieder Kunst! Geht's nicht ohne! Antwort: Noch nicht! Aber Ihre Einsendung kann uns alle der Vi- sion einer wegen Unnotwendigkeit einvernehmlich eingestellten Kunstproduktion näher bringen. (Text: Markus Mittringer, DER STANDARD, rondo/03/10/2003)