Eigentlich hätte man sich für den jungen Euro, dem manche eine herzlos bürokratische Herkunft vorwarfen, keine bessere Verkörperung wünschen können. Dem agilen älteren Herrn mit dem kräftigen weißen Haarschopf über einem grob geschnittenen und doch offenen und freundlichen Gesicht würde jeder seine Enkel zum Fischengehen anvertrauen - was Wim Duisenberg machen will, wenn er Ende Oktober seine Geschäfte als erster Chef der europäischen Notenbank EZB an den Nachfolger Jean-Claude Trichet übergibt. Gestern absolvierte er seinen letzten öffentlichen Auftritt; ein Abschiedsgeschenk in Form einer Zinssenkung gab es nicht.

Von der "Fehlbesetzung" zu "Big Wim"

Dabei fing es ganz anders als harmonisch und ohne jene Worte der Zustimmung an, die den Niederländer "Big Wim" jetzt nach fünf Jahren an der EZB-Spitze in den Ruhestand begleiten. Insbesondere Frankreich war über seine Bestellung 1998 echauffiert, nannte ihn eine "Fehlbesetzung" und erzwang eine - allerdings vage - Zusage, dass er zur Halbzeit seiner achtjährigen Periode zugunsten von Trichet verzichten würde.

Fast symbolisch wirkte da die Champagner-Panne, als es Duisenberg und seinen EZB-Ratskollegen bei der Geburtsfeier für den Euro zu Silvester 1998 nicht gelang, die Korken knallen zu lassen - nur das Werkzeug der diskreten livrierten EU-Bediensteten verhinderte einen Fehlstart.

Duisenberg gelobte Besserung

Kurz nach dem Start ging der Euro auf Talfahrt, und die - im Vergleich zu seinem US-Pendant Alan Greenspan - Mitteilsamkeit Duisenbergs und seines eigenwilligen 17-köpfigen EZB-Rats war dagegen keine Hilfe. Seine wohl größte Panne passierte ihm, als er nach der ersten Intervention zugunsten des Euro im September 2000 in einem Interview erklärte, es werde keine weiteren Interventionen geben - ein unverzeihlicher Fehler für einen Notenbankchef.

Duisenberg gelobte, nie wieder öffentlich Aussagen über Interventionen zu machen, und hielt sich daran. Kritik und unverhohlene Aufforderungen zum Kurswechsel handelte sich Duisenberg für seine als starrköpfig verschriene Zinspolitik ein. Erst viel später und in viel geringerem Umfang als die US-Notenbank reagierte die EZB auf den Einbruch der Wirtschaft und die europäische Rezession. Nur langsam sanken die Zinsen in der Eurozone auf den jetzigen Zwei-Prozent-Wert.

Meiste Kritik verstummt

Inzwischen ist die meiste Kritik an Duisenberg verstummt. Seit das Zinsniveau als akzeptabel gilt und sich der EZB-Chef und die Märkte aneinander gewöhnt haben, werden auch die Leistungen des "Mr. Euro" gewürdigt. Der Rollout des Euro war für die junge Notenbank ein handwerkliches Meisterstück ohne nennenswerte Pannen. Der Akzeptanz des Euro hilft, dass er wieder stark ist - auch wenn dies vor allem eine Funktion der Dollarschwäche ist, Exporte und Wirtschaftswachstum darunter leiden und Besserung nicht in Sicht ist.

Den Zurufen von links und rechts widerstand Duisenberg und etablierte damit die EZB als unabhängige, wenn auch unbequeme Institution. Und dem EZB-Rat der 17 nationalen Notenbanker legte er einen Maulkorb um, den sie akzeptierten. Dahinter steht auch die Leistung, aus zwölf Ländern und einem riesigen Mitarbeiterstab eine klaglos funktionierende Maschinerie geschaffen zu haben.

Erfolgreich geschafft

Keine geringe Leistung Duisenbergs ist es, trotz seines Ablaufdatums bis zuletzt das Ruder in der Hand behalten zu haben. Dabei half auch der Zufall mit, dass sein designierter Nachfolger Trichet erst einen Prozess überstehen musste und Duisenberg darum sogar gebeten wurde, länger als geplant im Amt zu bleiben.

Jetzt geht der Mann mit dem trockenen Humor, der vergangenes Jahr die Laudatio seines EZB-Ratskollegen Klaus Liebscher mit den Worten kommentierte, "einen Augenblick lang dachte ich schon, er hielte meine Grabrede". Nach turbulenten ersten Jahren, die wahrscheinlich im Rückblick als unvermeidlich gelten werden, übergibt er eine solide Notenbank: Die Anfangsphase von Euro und EZB ist erfolgreich geschafft. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 3.10.2003)