Jerusalem - Ein israelisches Militärgericht hat jetzt einen Offizier wegen der Tötung von vier Palästinensern, darunter drei Kindern, angeklagt. Dies bestätigte ein Armeesprecher am Freitagabend. Der Leutnant hatte seinen Soldaten Befehl gegeben, in der Stadt Jenin mit Panzergranaten auf eine Gruppe von Zivilisten zu schießen, um die Einhaltung einer Ausgangssperre zu erzwingen. Dabei waren im Juni 2002 auf einem Marktplatz in Jenin drei Kinder sowie ein 53 Jahre alter Mann von einer Granate zerrissen worden. Mehrere Menschen wurden zum Teil schwer verletzt.

Die Anklage lautet nach Angaben des Sprechers auf Totschlag und schwerer Körperverletzung. Wann der Prozess beginnt, wurde nicht bekannt gegeben. Auch der Name des Offiziers wurde nicht genannt.

Ausgangssperren

Der blutige Zwischenfall ereignete sich drei Monate nach der Wiederbesetzung der palästinensischen Städte Ende März 2002. Die Armee hatte zu dieser Zeit über die meisten Städte im Westjordanland oft wochenlange Ausgangssperren verhängt. Sie wurden nur gelegentlich für wenige Stunden aufgehoben, damit sich die Bevölkerung mit Lebensmitteln eindecken konnte.

Palästinensische Augenzeugen hatten berichtet, dass die Menschen zum Zeitpunkt des Zwischenfalls zu dem Markt gelaufen waren, weil sie glaubten, die Ausgangssperre sei aufgehoben worden. Der Leutnant, der eine Gruppe von drei Panzern kommandierte, habe Befehl gegeben, mit den Panzerkanonen und Maschinengewehren auf von ihm genannte Ziele zu feuern, um die Bevölkerung in die Häuser zurückzutreiben. Insgesamt seien zehn Granaten abgefeuert worden, von denen eine die Gruppe traf.

Israelische Soldaten haben nach palästinensischen Berichten schon seit Beginn der Intifada vor drei Jahren ohne Grund auf Zivilisten geschossen. In den ersten beiden Monaten des Aufstandes töteten Soldaten rund 300 Palästinenser, darunter viele Kinder und Jugendliche. Im gleichen Zeitraum wurden weniger als ein Dutzend Israelis Opfer der Gewalt. Bisher wurden jedoch nur wenige Soldaten im Zusammenhang mit der Anwendung unverhältnismäßiger Gewalt angeklagt. (APA/dpa)