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Wenn's einer tut, dann tut er's oft. Opfer von Grapschattacken gelten aber nicht mehr als die "Überempfindlichen". Dank Arnie ist die Hand am falschen Körper wieder Thema.
Foto: Reuters
"Grapscher", schrieen aufgebrachte Frauen Arnold Schwarzenegger im Wahlkampf entgegen. In Kalifornien wurden die Vorwürfe gegen "Arnie" zum Politikum, und auch in Österreich wird häufig zugegriffen. Am "Tatort Arbeitsplatz" werden die meisten Frauen, aber auch ab und zu Männer, sexuell belästigt - oft eben handgreiflich.

Männer nehmen sich nicht nur am Arbeitsplatz Frauen gegenüber zu viel heraus, auch in öffentlichen Verkehrsmitteln ist die Verlockung groß, sich anonym einen Lustgewinn durch die Hand am Körper neben sich zu verschaffen. Was dabei Lust verschaffen kann: Das Opfer soll möglichst nicht reagieren und niemand auf den Übergriff aufmerksam werden, berichtet Psychologe und Therapeut Jonni Brem von der Wiener Männerberatung.

Gleichbehandlungsbeauftragte Ingrid Nikolay-Leitner rückt das weit verbreitete Bild männlichen Grapschertums zurecht: Nicht der Großteil der Männer belästige, aber wenn es einer tut, dann begrapscht er viele.

Von 10.248 Anfragen, die im Vorjahr zu Gleichbehandlungsfragen im Frauen- und Gesundheitsministerium eingelangt sind, haben 3353 "Diskriminierung durch sexuelle Belästigung" betroffen, weist die Statistik aus. Dabei sind aber auch mehrmalige Kontakte mit Betroffenen eingerechnet. "Neue Beratungsfälle", also Frauen und Männer, die sich erstmals 2002 an die Kommission gewandt haben, wurden 1616 verzeichnet, 313 wegen sexueller Belästigung in Wort und Tat. Frappierend ist, dass sich die Zahl allgemeiner Anfragen gegenüber 2001 verdoppelt hat, die Zahl gemeldeter Grapschereien und verbaler Übergriffe ist stark gestiegen.

"Grapschen ist eine Grenzüberschreitung, und Grapscher begreifen dies oft nicht"

"Grapschen ist eine Grenzüberschreitung, und Grapscher begreifen dies oft nicht", erklärt Brem von der Männerberatung. Grenzen nicht wahrzunehmen sei eine soziale Störung, genauso wie die falsche Interpretation der Reaktion der Frauen. Wenn die Mitarbeiterin, die von ihrem Vorgesetzten betatscht wird, aufgrund des Machtverhältnisses nicht gleich Alarm schreit, wird dies als Einverständnis missverstanden.

Grapschen als Form der "sexualisierten Annäherung" gibt es in allen männlichen Altersgruppen. Unter Studenten, unter Teenagern - sogar achtjährige Buben sind von ihren Schulen bereits zur Männerberatung geschickt worden: Sie haben Klassenkameradinnen "eh nur gekitzelt".

Gibt es auch eine Einstellungsänderung unter den Grapschern? "Selten", berichtet Nikolay-Leitner aus der Erfahrung. Sie bemerkt aber trotzdem einen Bewusstseinswandel. Das Problem sei als solches noch immer "massiv", aber "heute anerkannt". Frauen, die sexuelle Belästigung melden, würden nicht mehr "als ein paar Überempfindliche" abgetan. Viel wichtiger ist ihr, dass auch Arbeitgeber, die früher im Reflex sagten, "das gibt es bei uns nicht", bereit seien, in Aufklärung und Prävention zu investieren.

Auch im Strafrecht soll sich etwas ändern: Im November will der Ministerrat über des "Strafrechtsänderungsgesetz 2003" entscheiden. Belästigungsdelikte, die bisher ungestraft erfolgen konnten, sind dann mit bis zu sechs Monaten Haft bedroht. "Derzeit kann strafrechtlich nur vorgegangen werden, wenn Gewalt im Spiel ist. Mit unserem Entwurf soll aber auch Grapscherei in der U-Bahn oder körperliche Belästigung am Arbeitsplatz abgedeckt werden", erklärt Christian Manquet vom Justizministerium. Körperkontakt muss in jedem Fall stattgefunden haben, obszöne Gesten sind von der Regelung dagegen nicht erfasst.

Während der Begutachtungsphase gab es zwei Kritikpunkte: Es sei nur ein so genanntes Antragsdelikt (das Opfer muss es selbst anzeigen) und es sei keine Mindeststrafe vorgesehen. Manquets Konter: "Die Mindeststrafe ist aus der Systematik des Strafgesetzbuches her nicht sinnvoll. Bei anderen Delikten mit einer Höchststrafe von sechs Monaten gibt es ebenfalls keinen Mindestrahmen." In der Frage Antrags- oder Offizialdelikt könne man verschiedener Meinung sein - "es ist aber zu bedenken, dass sich nicht jeder gleich belästigt fühlt, daher sollte der oder die Betroffene selbst entscheiden können." (DER STANDARD, Printausgabe 08.10.2003)