Späteres Risiko
Auch der Herzinfarkt ist bei Frauen keine Seltenheit mehr. Er unterscheidet sich aber in Zeitpunkt und Symptomen deutlich von jenem der Männer, die schon ab Ende 30 bei ungesunder Lebensweise von Herzerkrankungen und -infarkt betroffen sein können. Bei Frauen hingegen steigt das Risiko mit den Wechseljahren rapide an. Ist eine Frau über 70, ist es sogar höher als beim gleichaltrigen Mann.
Eine Ursache für das erhöhte Infarktrisiko sehen Mediziner im Absinken des Östrogenspiegels während der Wechseljahre. Physiologen sind sich immer noch nicht ganz sicher, wie Hormone den weiblichen Organismus vor der Infarktgefahr schützen. Relativ gesichert ist aber, dass sie das Blut verdünnen und das Verhältnis zwischen dem so genannten "guten" HDL-Cholesterin und dem "schlechten" LDL, das auch für die infarktauslösenden Arterienverklumpungen mitverantwortlich ist, verbessern. Aber selbst wenn ein absinkender Hormonspiegel mit einer für Frauen wie Männer gleich gefährlichen ungesunden Lebensweise zusammenfällt, übersehen Ärzte bei ihren Patientinnen manchmal deutliche Hinweise auf eine Herzerkrankung oder sogar einen Infarkt.
Ein Grund dafür liegt laut Experten im "weiblichen" Krankheitsbild, das sich von dem der Männer grundlegend unterscheidet: Während Männer tatsächlich meist ein Stechen in der Herzgegend oder ein Ziehen im linken Arm wahrnehmen, können bei Frauen auch diffuse Schmerzen im Nacken, Rücken oder sogar im Bauch in Kombination mit Kurzatmigkeit auf eine koronare Erkrankung als Vorläufer eines möglichen Infarktes hindeuten. Bei Männern denken Ärzte auch bei atypischen Symptomen an ein Herzproblem. Bei Frauen, deren Infarktrisiko auch Medizinern manchmal nicht so bewusst ist, kann die Diagnose auf "Verspannungen" lauten, die mittels Massagen und Infrarot fehltherapiert werden.
Erschwerend hinzu kommt, dass technische Verfahren zum Nachweis einer geringeren Durchblutung des Herzens bei Frauen weniger zuverlässig sind als bei Männern und auch Medikamente wie Cholesterin- oder Blutdrucksenker nach einem - dem männlichen - Standard verschrieben werden. Den Grund dafür sieht Vera Regitz-Zagrosek, eine von nur zwei Uniprofessorinnen für frauenspezifische Gesundheitsforschung in Deutschland, in der schlechten Datenlage: "Wir müssen mehr Untersuchungen zu den Risiken und deren Ursachen an Frauen durchführen. Denn die meisten Studien zu Herzkrankheiten basieren auf Männern." Aber auch die Frauen selbst müssen ihre eigenen Symptome deuten lernen.
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