Wien - Das vor rund zehn Jahren in Betrieb gegangene Vienna Biocenter (VBC) - ein Biotech-Cluster aus Universitätsinstituten, Fachhochschullehrgang und privaten Forschungseinrichtungen - hat sich im Laufe des Bestehens zu einem österreichweit einzigartigen Center of Excellence entwickelt, da waren sich alle Beteiligten bei der Jubiläumsfeier am Donnerstag in Wien einig. Dennoch sparten Wissenschafter nicht an Kritik, vor allem die schlechte Situation für den Nachwuchs wurde bemängelt.

Rene Schroeder: Mangelnde Perspektive

Wenn man die zahlreichen Studenten der Uni-Institute nach ihren Jobvorstellungen frage, so höre man regelmäßig die Antwort: "Nur nicht an die Uni", sagte Rene Schroeder, Genetikerin am VBC und Wittgensteinpreisträgerin 2003. Als Ursache ortet die Wissenschafterin vor allem die mangelnden Perspektiven für junge Leute an der Uni. Auch mit dem neuen Dienstrecht kann sich Schroeder nicht so recht anfreunden, es schaffe Hierarchien, die man eher im 19. als im 21. Jahrhundert vermuten würde. Dadurch könne "eine falsche Person am falschen Ort" viel Schaden anrichten.

Zusätzliche Anstrengungen gefordert

Um die hohe Qualität des VBC auch in Zukunft halten zu können braucht es nach Ansicht von Karl Kuchler vom Institut für Medizinische Biochemie der Universität Wien zusätzlicher Anstrengungen. Neben besseren Möglichkeiten für junge Forscher sind nach Ansicht von Kuchler ein Hörsaalzentrum sowie die Einrichtung eines Bioinformatik-Instituts dringend nötig. Der Forscher bemängelte weiters, dass es seit der Einrichtung des VBC vor über zehn Jahren "keine signifikanten" Summen für Infrastruktur gegeben habe.

Gehrer kontert

Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (V) konterte, dass die neuen Kollektivverträge speziell so gestaltet seien, dass dem Nachwuchs bessere Chancen eingeräumt würden. Ihr, Gehrer, sei klar, dass es mit Stipendien alleine nicht getan sei. Es müsste längerfristige Perspektiven geben. Bezüglich eines Hörsaalzentrums verwies die Ressortchefin auf bereits angelaufene Verhandlungen zwischen ihrem Ministerium und den Unis über Bauentwicklungspläne. Es müsse jedenfalls sichergestellt sein, dass derartige Einrichtungen später auch tatsächlich ausgelastet sein werden. Gehrer erklärte, dass sie bereits Zusagen vom Finanzressort über 21 Millionen Euro zusätzlich auf drei Jahre für Infrastrukturmaßnahmen habe.

Warnung vor Überregulierung

Vor einer Überregulierung der Forschung in Österreich und ganz Europa warnte der aus Graz stammende Präsident des Schweizerischen Wissenschafts- und Technologierates (SWTR), Gottfried Schatz, anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Vienna Biocenters. Schatz ortete einerseits die Schulbildung und andererseits Unistrukturen als Hemmschuhe und Ursachen, warum Europa in puncto Innovationen gegenüber den USA im Hintertreffen sind.

"Wirkliche Ideen stammen nicht von Institutionen oder Gruppen, sondern von einzelnen, begabten Menschen", so der Experte. Man könne derartige Talente nicht schaffen, müsse aber die in einer Bevölkerung aber immer vorhandenen begabten Menschen schützen und sich entwickeln lassen. Die Aussage "ein wahres Talent wird sich immer durchsetzen", lässt Schatz nicht gelten, vielmehr seien Begabungen höchst verletzlich und könnten sehr leicht verschüttet werden.

"Mut zu Fehlern"

Der Wissenschafter bemängelte, dass - auch in Österreich - bereits in der Volksschule Begabungen zu echten Forschern alles andere als gefördert würden. "Wissenschaft lebt davon, dass man auch Fehler machen kann und gerade aus ihnen lernt", ist Schatz überzeugt. Aber in der Schule werde man genau auf das Gegenteil getrimmt, nämlich auf die Vermeidung von Fehlern. Wirkliche Innovationen würden aber von "Querdenkern mit Mut zu Fehlern" kommen.

Schatz prangerte auch das bestehende Dienstrecht an den Universitäten an. "Es ist eine Tatsache, dass wir mit 40 bis 45 Jahren die kreativste Phase unseres Lebens bereits hinter uns haben", so der Experte. Daher sollte es speziell für junge Wissenschafter mehr längerfristige Perspektiven für die Forschung geben. Das bedeute nicht, dass man den Nachwuchsforschern jedes Risiko nehmen sollte, aber bei entsprechendem Einsatz sollte eine gewisse Lebensplanung möglich sein. In den USA gebe es jedenfalls derartige Programme. Für den SWTR sei daher auch die Nachwuchsfrage das Problem Nummer eins.

Vienna Biocenter - Hintergrund

Das VBC wurde 1992 offiziell inauguriert und ist seit rund zehn Jahren in Betrieb. Neben mehreren Instituten der Universität Wien aus den Breichen Biotechnologie, Biochemie, Molekularbiologie, Strukturbiologie, Mikrobiologie und Genetik sind auch private Firmen, allen voran das Institut für Molekulare Pathologie (IMP) des Pharmakonzerns Boehringer Ingelheim, beteiligt. Mittlerweile wurde auch ein einschlägiger Fachhochschulstudiengang etabliert.

Derzeit sind am Zentrum 800 bis 900 Forscher aus 40 Ländern tätig, darunter 100 Universitätsangehörige. Die ordentliche und außerordentliche Dotationen (ohne Personalkosten) der Uni Wien für 2003 beträgt 0,8 Millionen Euro, über Drittmittel wurden 2002 6,2 Millionen eingeworben. Der Forschungsoutput beträgt derzeit durchschnittlich 116 Publikationen. Pro Jahr werden durchschnittlich 44 Diplomanden und 27 Dissertanten fertig. (APA)