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Sehnt das Ende des Neoliberalismus vorbei: Oskar Lafontaine.

foto: reuters/wiegmann
Graz - Ob Deutschland, Frankreich oder Österreich: Die Ära des Neoliberalismus habe auch in Europa zu einer Halbierung der Wohlfahrtssteigerung pro Kopf der Bevölkerung geführt. Die Wirtschaftspraxis der Regierungen, den Schwerpunkt auf Kosten- und Haushaltsmanagement zu lenken, habe die Basis für eine Weiterentwicklung des Wohlfahrtsstaates entzogen, moniert der Neoliberalismus-Kritiker und ehemalige SPD-Finanzminister Oskar Lafontaine im STANDARD-Gespräch.

Auch regierende Sozialdemokraten in Europa seien auf den "sexy" Neoliberalismus hereingefallen. Lafontaine: "Die Sozialdemokraten sagen leider, wir kürzen eben etwas weniger als die Konservativen. Eigentlich müsste man die Frage beantworten: Wie können wir die Wirtschaft zum Wachsen bringen und den Wohlstand fördern? Neo- liberale bringen die Wirtschaft nicht zum wachsen. Sie bringen - gesamtwirtschaftlich gesehen - in der Regel Krisen."

Ähnlich wie in Deutschland

Im konservativ regierten Österreich böte sich ein ähnliches Bild wie in Deutschland: Die Regierungspolitik laufe darauf hinaus, ein Nulldefizit zu erreichen. Lafontaine: "Das ist schlichter Unsinn. In Deutschland führte diese Politik dazu, dass wir jetzt das höchste Defizit der Nachkriegsgeschichte haben. Das heißt, die Methode kann nicht richtig sein."

Lafontaine ortet aber erste Anzeichen einer Veränderung. Bundeskanzler Gerhard Schröder habe de facto - gemeinsam mit Frankreich - den europäischen Stabilitätspakt in seiner stringenten Form aufgekündigt.

Einflussnahme möglich

Nationalstaaten könnten also sehr wohl auf die globalisierte Wirtschaftsentwicklungen Einfluss nehmen. Auch bei Gefahr weiterer Verschuldung. Lafontaine: "England hat etwa den Mindestlohn um elf Prozent angehoben und sechs Prozent Bruttolohnsteigerungen erreicht."

Kein Verständnis zeigt Lafontaine für seine österreichischen Parteigenossen in Sachen Staatseinfluss auf Schlüsselindustrien à la Voest. Lafontaine: "Die Stahlindustrie kann selbstverständlich privatwirtschaftlich geregelt werden. Stahl ist kein Fall für öffentliches Eigentum, kein Grundbedürfnis der Bevölkerung wie Wasser, Post oder Bahn."

Lafontaine ist überzeugt, dass er mit seinen Positionen in der SPD mittlerweile "ganz sicher mehrheitsfähig" ist. (Walter Müller, DER STANDARD Print-Ausgabe, 13.10.2003)