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Preise bedeuten ihr nichts: Waris Dirie mit ihrem "Two-Wings-Award"
Foto: REUTERS/LEONHARD FOEGER
Wien - "Es ist nett, einen Preis zu bekommen, aber es könnte mir nicht gleichgültiger sein. Wenn ich einen bekomme, bekomme ich ihn, wenn nicht, nicht", sagte die Sonderbotschafterin des UNFPA (United Nations Population Fund), Waris Dirie, am Montag in Wien. Statt einen Preis zu bekommen, erhalte sie lieber Hilfe, um ein Krankenhaus oder eine Schule in Somalia zu bauen, sagte Dirie, die in humanitärer Weise vor allem durch ihr Engagement gegen die Genitalverstümmelung an afrikanischen Frauen bekannt wurde. Der Westen beruhige sein Gewissen, in dem er Schecks ausstelle, beklagte sie: "Das ist nicht genug, und das ist nicht die Art, wie man das macht."

Alles, was man im Leben mache, müsse von Herzen geschehen. Veränderungen sind nach Ansicht Diries immer möglich, wie der Fall der Berliner Mauer und des Apartheid-Regimes in Südafrika gezeigt hätten: "Es ist möglich - es bedarf nur der Anstrengung und des Kampfes, um es geschehen zu lassen."

Aufruf zur Beteiligung

Auf die Frage, was der Westen konkret tun könnte, sagte Dirie, dieser könne "wirklich bei der Kampagne mitmachen". Die Sonderbotschafterin erwähnte die Möglichkeit, an die betreffenden Regierungen zu schreiben und zu "sagen, das ist brutal, das ist barbarisch und unnötig, und hat keinen Zweck oder Grund, und es ist eine Sünde gegen die Frauen. Wir müssen damit aufhören, denn keine Nation kann einen Aufstieg erleben ohne starke Frauen, ebenso wie keine Nation einen Aufstieg erleben kann ohne starke Männer." Jeder Mensch müsse dieselben Rechte haben und von diesen auch Gebrauch machen, "und das sollte keine Frage sein."

Das fehlende Engagement des Westens stimme sie nicht wütend, sondern frustriert, sagte die geborene Somalierin, die als Teenager von ihrem Zuhause in der Wüste zunächst in die Hauptstadt Mogadischu flüchtete, um einer arrangierten Hochzeit zu entgehen, und später als Dienstmädchen eines entfernten Onkels nach London ging. Die Welt sei sehr ungerecht: "Die eine Seite bricht völlig zusammen und stirbt wegen der simpelsten Dinge wie Wasser, Not, (mangelnde) Ausbildung, kann nicht einmal ein Kind ernähren. Andererseits gibt es eine Seite, die so maßlos ist und so viel hat", sagte Dirie. Sie verstehe bis heute nicht, wie das möglich sei. "Es ist einfach verrückt."

Denen helfen, die "kein Glück haben"

Die Kraft für sein humanitäres Engagement schöpft das ehemalige Fotomodell aus seiner Lebenseinstellung. "Ich liebe einfach das Leben. Alles, was ich immer wollte, ist eine friedvolle Welt, dass die Menschen miteinander auskommen." Viele Menschen würden nicht genug schätzen, was sie haben, sagte Dirie. Leid zu sehen und sich abzuwenden, zeuge von der größtmöglichen Härte, zu der ein Mensch fähig sei. "Wenn man selbst genug Glück hat, sollte man denen helfen, die kein Glück haben." So könnte die Welt laut Ansicht der Sonderbotschafterin besser sein. "Keiner von uns tut, was er tun sollte, denn wir alle haben eine Verantwortung in dieser Welt", betonte Dirie.

Genitalverstümmelung als "Problem der Welt"

Gefragt nach ihren Projekten gegen die Genitalverstümmelung, die laut Angaben der Vereinten Nationen noch immer täglich an rund 6.000 Frauen durchgeführt wird, erklärte Dirie, bei diesem Anliegen handle es sich nicht nur um ihr Problem, sondern um ein "Problem der Welt". In Somalia gebe es mehr Frauen, die nicht über dieses Thema sprechen wollten, als sie sich wünsche, doch "langsam, aber sicher" finde eine Veränderung statt. Dirie zeigte sich vom langfristigen Erfolg ihrer Arbeit, einem Ende der Praxis der Genitalverstümmelung, in jedem Fall überzeugt. "Ich persönlich glaube, es wird passieren. Wie lange es dauern wird, könnte ich Ihnen nicht sagen. Aber wir werden sicher unser Ziel erreichen."

Seit 1997 Sonderbotschafterin der UNO

Waris Dirie wurde 1997 von Kofi Annan zur Sonderbotschafterin des UNFPA ernannt. Ihre autobiographischen Bücher "Wüstenblume" und "Nomadentochter" wurden weltweit millionenfach verkauft. Am Montagabend wurde Dirie in einem Wiener Hotel mit dem "Two Wings-Award" ausgezeichnet, mit dem in vergangenen Jahren unter anderen Karl-Heinz Böhm und seine Frau Almaz oder die Wiener Ärztin Eva-Maria Hobiger für ihr humanitäres Engagement geehrt wurden. Ursprünglich hätte der Preis von UNICEF-Sonderbotschafter Sir Peter Ustinov überreicht werden sollen, der sich allerdings wegen gesundheitlicher Beschwerden in einem Genfer Krankenhaus befindet und seine Teilnahme an der Verleihung deshalb absagen musste. (APA)