STANDARD: Karl Wurm hat zuvor gemeint, dass die Politik nicht genügend führt. Wenn das für den Bund gilt, dann auch für die Länder.
Raus: Dass ist eine allgemeine Floskel, die man häufig hört. Doch wenn man konkret nachfragt, dann schaut es anders aus. Es gibt eine sehr große Zufriedenheit mit der Wohnungspolitik im Land Salzburg. Ich kann das auch mit Meinungsumfragen belegen, die uns zeigen, das 95 bis 97 Prozent der Salzburger mit der Wohnungspolitik einverstanden sind. Wer aber meint, zu einem besseren Ergebnis ohne Wohnbauförderung oder ohne Bundesgesetze zu kommen, der würde diese Zufriedenheit deutlich dämpfen.

STANDARD: Sie haben seit 25 Jahren die Salzburger Wohnbaupolitik mitgestaltet. Was hat sich in diesen Jahren eigentlich verändert?
Raus: Alles fließt, und unsere Gesellschaft entwickelt sich ja Gott sei Dank auch ständig weiter . . .

STANDARD: Fließt's vielleicht leicht den Bach hinunter?
Raus: Den Eindruck habe ich nicht. Als ich vor 25 Jahren in die Landespolitik eingetreten bin, gab es noch keinen Wohnungsmarkt wie heute. Heute haben wir 200.000 bewohnte Wohneinheiten für 550.000 Einwohner. Vor 25 Jahren gab es nur 150.000 Einheiten für rund 480.000 Einwohner. Die Zahl der Wohnungen ist gestiegen, Qualität und Fläche haben zugenommen, und der freie Wohnungsmarkt ist gewachsen. Von den 200.000 Wohneinheiten sind 35 Prozent bereits völlig frei von Förderungen. Damals waren es vielleicht 15 Prozent. In zehn Jahren werden wahrscheinlich 50 Prozent der Wohnungen keiner besonderen Einflussnahme des Staates mehr unterliegen. Dazu kommt, dass fast jede zweite Wohneinheit eigentlich ein Ein- oder Zweifamilienhaus ist. Nachdem jedes Jahr ein bestimmter Prozentsatz frei von Förderung wird, entsteht hier ein ordentlicher Markt. Der kann allerdings die Notwendigkeit eines Fördersegments nicht ersetzen. Drei bis fünf Prozent unserer Bewohner sind echte Unterstützungsfälle im Sinne von Notstands-, Sozial- oder Wohnungsbeihilfe. Dafür brauchen wir auch weiterhin Mittel, und wenn ich jetzt die Wohnbauförderung kürze oder total auflasse, wächst mir hier eine soziale Verpflichtung zu, die ich dann anders bedienen muss. An dieser Frage kann in Österreich sicher keine größere Partei vorbeigehen. Ich kann nur appellieren an alle, auch an die SPÖ: Hände weg von der Wohnbauförderung! Man soll danach trachten, mit den vorhandenen Mitteln möglichst effizient, sozial und wirtschaftlich umzugehen.

STANDARD: Thomas Malloth hat vor zu viel Eigentum gewarnt, weil sich in Eigentumsgemeinschaften nicht mehr viel bewegt. Was sagen Sie dazu?
Raus: Ich stamme noch aus einer politischen Zeit, wo aus ideologischen Gründen Eigentum bei den einen verpönt war, von den anderen in den Himmel gelobt wurde. Diese Ideologie wurde, zumindest in Salzburg, überwunden. Wir haben begriffen, dass manche Menschen Eigentum wollen und die anderen Miete nicht nur brauchen, sondern manches Mal wollen. Der Nachteil am Eigentum ist, dass die Mobilität eingeschränkt wird und die Menschen, die sich aufs Eigentum verlassen haben, häufig vor dem Problem stehen, sich vom Eigentum zu finanziell vertretbaren Bedingungen zu trennen. Sie können nicht verkaufen, auch wenn sie wollen, und wenn sie verkaufen müssen, erlösen sie nicht das, was sie investiert haben. Ich bin kein Gegner des Eigentums, aber es soll jeder vorher aufgeklärt werden, dass eine Eigentumswohnung nur Sinn macht, wenn man länger als 16 oder 17 Jahre darin wohnt. Alles darunter wird zum Verlustgeschäft.
Auf die zweite Generation von Wohnungseigentümern kommt das Problem der Sanierung zu. Gerade in Mischsituationen ist es oft schwer, eine klare Mehrheit für Investitionen herbeizuführen, selbst wenn Experten bestätigen, dass das Haus saniert gehört. Auch die Eigentümer der ersten Generation, die im Haus verblieben sind, haben manches Mal ihre liebe Not mit weitervermieteten Wohnungen, in die dann Mieter einziehen, von denen sie sich gestört, belästigt fühlen oder von denen sie glauben, dass der Wert ihrer Anlage abgewertet wird.

(DER STANDARD Printausgabe, 17.10.2003)