Wien - Es erfüllte einen mit tiefer Dankbarkeit, wenn sich Mariah Carey nach ihrem - leger geschätzt - 98. Textilwechsel doch wieder einmal kurz auf der Bühne zeigte. Signalisierte diese wohlwollende Geste doch, dass sie ihr Publikum nicht ganz vergessen hatte. Dieses hielt sie während ihrer Abwesenheit mit öden Videos ihrer selbst und choreografisch irrsinnig beeindruckenden Tanzaufführungen bei der Stange.
Trotz dieser Zumutung insistierten rund 5000 Fans hartnäckig auf ihr mit dem Ticket erlangtes Recht, des New Yorker Weltstars zumindest ab und zu ansichtig zu werden.
Andererseits: Mit eingeschlafenen Beinen ist auch schwer flüchten. Immerhin - die schweren Beine teilte Carey mit ihrem Publikum über die volle Distanz. Die 33-Jährige demonstrierte am Sonntag schaurig, was passiert, wenn die Generation Barbie in die Jahre kommt. Wenn die implantierten inneren Werte verhindern, dass man zur eigenen Musik mehr als nur den Hintern bewegt, sucht man sein Heil in tranigen Balladen.
Davon hat Carey bekanntlich einige zu bieten. Live präsentierte sie diese teils gleich im Sitzen oder sich lasziv räkelnd im Liegen auf einem Konzertflügel, den sie ganz in Weiß von der Saaldecke herab resch in Beschlag genommen hatte.
Mit hohler Geste und einer laut ihrem Hofstaat fünf Oktaven umfassenden Sirene bestätigte sie alle Vorurteile, die dieser singenden Kelly Bundy seit ihrem Auftauchen 1990 entgegenbracht werden. Carey gilt als der bestverkaufende Star der 90er-Jahre, die mit weichgespültem R 'n' B und Hits wie Visions Of Love, All I Want For Christmas Is You oder Heartbreaker Dauergast in den Charts war. 1993 ehelichte sie ihren Förderer Tommy Mottola, den damaligen Chef von Sony Music.
Im Jahr 2000 unterzeichnete sie beim Unterhaltungsriesen EMI den bis dahin teuersten Plattenvertrag aller Zeiten und landete mit dem Album zu dem Film Glitter einen kapitalen Flop - auch als Schauspielerin. Zwei Jahre später trennte sich EMI von Carey, die auf ihrer laufenden Welttournee, das aus einem Best-of-Programm besteht, auch ihr aktuelles Album Charmbracelet promotet.
Dazu brachte Carey auf die Bühne, was man aus sinnentleerten Videos kennt: Tänzer und Gaukler, die vor mäßig originellen Kulissen davon ablenken sollten, dass außer freimütig gezeigter Haut eigentlich nichts passierte. Eine notorisch unterbeschäftigte Band stand ausdrucksstark Zierde, denn die Musik kam über weite Strecken ohnehin vom Band, das Carey mit viel Gewinsel um das Hauptthema ihres Gesamtwerkes begleitete: erraten - die Liebe.
Und wenn die dauererigierten Feuerzeughändchen im Publikum nicht auch eingeschlafen waren, so schlug ihr diese aus Teilen des Publikums bis zum erlösenden Ende dieses Ausnahmezustandes auch tatsächlich entgegen.