Wie der samstäglichen Jubiläumsbeilage "15 Jahre Zeitung für Leser" zu entnehmen war, ist ein Großteil der STANDARD -Leser jung und gebildet (und weiblich ). Außerdem handelt es sich laut mehrere Studien um eine "mobile, vielseitig interessierte, kritisch eingestellte, aber auch durchaus lebenslustige Bevölkerungsgruppe".

Als kleinen Nachtrag zu unserer 15-Jahr-Bestandsfeier hier daher ein paar Schlaglichter auf die wunderbare Welt des STANDARD-Lesers, zusammengestellt aus der Marktforschung und den individuellen Leser-Reaktionen auf die Kolumnen des Autors. Ohne die Leser unseres direkten Konkurrenten auf dem Sektor Qualitätszeitungen Die Presse abwerten zu wollen, muss zunächst festgestellt werden, dass zwischen Lifestyle und Selbsteinschätzung auf der liberal-konservativ-Skala von STANDARD-und Presse-Lesern ziemliche Welten liegen (Kostprobe: Standard-Leser bezeichnen sich zu 81 Prozent als liberal, zu 18 Prozent als konservativ; Presse-Leser zu 47 Prozent als liberal und zu 53 Prozent als konservativ; und nur zum Vergleich: Kurier-Leser wollen zu 53 Prozent liberal sein, zu 46 Prozent konservativ).

Mit solchen Lesern haben es der STANDARD und der liberale Kolumnist gut. Aber manchmal nicht leicht, denn was für den Kolumnisten normaler westlicher Wirtschaftsliberalismus ist, an dem in Österreich ein Nachholbedarf besteht (allerdings nicht in der inkompetent-dreisten Variante von schwarz-blau) , das ist dem einen oder anderen Leser "der Weg zur kapitalistisch-konservativen Reaktion" (Ewald B.aus Bregenz). Wenn der Kolumnist das Eingreifen der USA in Bosnien, im Kosovo und in Afghanistan unterstützt, den Krieg im Irak aber für einen folgenschweren Fehler hält, dann sind manche Leser (anti-, wie pro-amerikanische) verwirrt, weil das nicht in ihr wohlgeordnetes Weltbild passt.

Von den 1500 bis 2000 Leser-Mails , die im Jahr als Reaktion auf Rauscher oder Rau einlangen, gibt's thematisch natürlich ausgesprochene Hits. Die österreichische politische Kultur ist ein massives Dauerthema (und zwar losgelöst von der schwarz-blauen Koalition), verbunden mit der Beteuerung, nur der Standard und seine Kolumnisten "veranlassen Menschen zum Verbleib in unserem Lande" (Ulrike S., Wien). Karl Heinz Grasser mag der Lieblings-Schwiegersohn der Nation sein, aber der "bubenhaft infantil Tag für Tag aufs Neue in sich selbst verliebte KHG" (Heribert M., Wien) hat zumindest bei den Lesern dieser Kolumne nicht wirklich viele Bewunderer. Ein anderer Volltreffer der letzten Zeit war natürlich "Liesl" Gehrers Vorschlag "Kinderkriegen statt Parties". Die kalte Wut unter den Leserinnen war schon beachtlich. Satirisch konnten das eigentlich nur männliche Leser sehen, z.B. Florian W., der vorschlug, Unilehrgänge einzuführen wie: "Verhütung, nein danke, VO3", "Stillen für den Jungakademiker, UE4", "Stricken mit Liesel, SEO 5".

Aber was die Leser auch stark bewegt, sind nicht nur die politischen Themen, sondern alles, was man mit Stadtleben umschreiben könnte. Eine vergleichende Soziologie der Radfahrer, eine kleine Abhandlung über den Verzehr von Nahrungsmitteln in öffentlichen Verkehrsmitteln und die banalen Plastikpferde, die in Wiens Innenstadt herumstehen, lösten ziemliche Mail-Schneebretter aus. Und einer , aus großem österreichischen Adelsgeschlecht, machte darauf aufmerksam, dass die schwarze Stute mit der blonden Mähne links vor dem Meinl am Graben laut Aufschrift vom Rotlicht-Lokal "Nina" gesponsert sei. (Hans Rauscher/DER STANDARD; Printausgabe, 21.10.2003)