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Rote Blutkörperchen aus Spenderblut bilden die Ausgangsbasis des Pulvers

Foto: Archiv
Stockholm/Wien - "Das ist wie eine Landung auf dem Mond", schwärmte Chefarzt Pierre LaFolie von der Karolinska-Klinik in Stockholm, "wenn das wirklich durchgehend funktioniert, dann ist die Menschheit einen großen Schritt vorwärts gekommen." Schwedische Ärzte haben eine Gruppe von Patienten erstmals und erfolgreich mit einer Art künstlichem Blut behandelt.

Dieses Blut wird hergestellt, indem aus den roten Blutkörperchen von Spenderblut ein Pulver hergestellt wird, das sich mehrere Jahre lang aufbewahren lässt. Bei Bedarf - etwa bei einem Verkehrsunfall - wird das Pulver mit Flüssigkeit angerührt und kann dem Patienten ohne vorherigen Blutgruppentest zugeführt werden. Das erspart enorm viel Zeit.

Dieses Blut nach dem Packerlsuppen-Prinzip wurde von Wissenschaftern in den Vereinigten Staaten entwickelt - mit Unterstützung der Nasa, die seit langem ein Interesse an lagerfähigem und gewichtsreduziertem Blutersatz hat: Übergepäck ist in der bemannten Raumfahrt verboten.

Das Pulverblut wurde bisher an acht Patienten in Stockholm getestet. "Es hat kein Anzeichen dafür gegeben, dass das Blut abgestoßen wird", sagte der Leiter des Experiments, Bengt Fagrell, der schwedischen Nachrichtenagentur TT. Aus ethischen Gründen würden derzeit Blutkörperchen von menschlichem Blut zur Herstellung des Pulvers verwendet - möglich sei dies aber mit Blut von jedem Säugetier, "wie zum Beispiel Blut von der Kuh".

Ganz so euphorisch wie der Stockholmer Klinikchef LaFolie ist Paul Alexander Kyrle, Chef der Abteilung für Hämatologie an der Wiener Uniklinik, jedoch nicht: Denn "von wirklichem Kunstblut ist man noch sehr weit entfernt". Bei dieser in de USA entwickelten und in Schweden eingesetzten Methode handle es sich um eine neue Form von Konservierung, bei der dem Blut Flüssigkeit entzogen werde.

"Die Forschungen nach echtem Kunstblut zeigen seit etwa zehn Jahren kaum Fortschritte", erklärt Kyrle im STANDARD-Gespräch. Das Ziel: eine synthetische Flüssigkeit herzustellen, die der Körper nicht abstoßt und die Sauerstoff binden und so transportieren kann. Den Fortschritt in der Packerlsuppen-Methode sieht der Wiener Fachmann vor allem darin, dass das Blutpulver länger haltbar ist als flüssiges Blut und dass man keine langen serologischen Untersuchungen braucht, bevor man es infundiert. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24. 10. 2003)