Die Polizei habe beschlossen, die jüngste Anklage des UNO- Tribunals für Kriegsverbrechen abzulehnen, verkündete das serbische Innenministerium am Donnerstag. Am Freitag würden Einheiten der Polizei im Zentrum Belgrads demonstrieren und dadurch ihren "Unmut" gegen das Tribunal und ihre "Unterstützung" dem wegen Kriegsverbrechen angeklagten Polizeichef Sreten Lukic äußern. Der Belgrader Sender "B 92" bezeichnete den Protestmarsch, sich auf eine anonyme Quelle aus der Regierung berufend, als eine "authentische Meuterei" der Polizei. Die am Montag erhobene Anklage des Tribunals gegen vier serbische Generäle der Polizei und der Armee hat offensichtlich eine größere Verwirrung und Unruhe in den Sicherheitskräften ausgelöst, als die Auslieferung von Slobodan Milosevic vor zwei Jahren. "Kommandoverantwortung"

Die Mitglieder des Heers fragten sich, "ob diese Anklagen je ein Ende nehmen würden", erklärte Generalstabschef, Branko Krga erbittert. Die Armee setzte sich dafür ein, dass Verbrechen aufgeklärt würden, doch es sei völlig inakzeptabel, dass Offiziere wegen "Kommandoverantwortung" angeklagt werden. Belgrad habe bisher mehr Angeklagte dem Tribunal ausgeliefert, als alle anderen Staaten des ehemaligen Jugoslawien zusammen.

Im Allgemeinen wird das verhasste Haager Tribunal in Serbien als eine "politische, antiserbische" Institution betrachtet. Der Widerstand der Armee- und Polizeispitze wird von der Bevölkerung unterstützt. Dem unter Druck geratenen Premier Zoran Zivkovi´c blieb nichts anderes übrig, als den Protest der Polizei "gut zu heißen". Wegen der institutionellen Krise, in der sich Serbien befindet, wird befürchtet, dass sich die Sicherheitskräfte gegen die Regierung wenden könnten. (DER STANDARD, Printausgabe, 24.10.2003)