
Früher, meint H., hätte sie sogar berechnen können, mit welcher Kraft und Geschwindigkeit ein Kilo Materie aus der Höhe X auf einen Punkt Y 170 Zentimeter über dem Erdboden aufschlagen würde. Aber vermutlich hätte sie, meint H. heute, auch damals nicht daran gedacht, beim innerstädtischen Nachtschwimmen mit dem Physikformelheft herumzulaufen.
Hochstrahlbrunnen
Und den Kopf hätte sie sich, gibt H. zu, deshalb vermutlich trotzdem angehaut. Beim Badeversuch im Hochstrahlsbrunnen: Weil sie beim fröhlichen Herumtollen im Becken nicht daran gedacht habe, dass ein Liter Wasser eben ein Kilo wiegt - und beim Herunterfallen eben auch dann physikalischen Gesetzen gehorcht, wenn jemand wie H. nackt dort stehe, wo das Wasser aufschlagen will.
H. gehört nämlich der kleinen Gemeinde kommunaler Nonsensbader- und -baderinnen an. Vor etlichen Jahren, fast in pubertären Jugendzeiten, erzählt H., habe man einander gefunden. Und sich überlegt, dass das ständige Hin- und Herschwimmen in Schwimmbecken oder auf der Neuen Donau zwar konditionsfördernd, aber halt doch fad sei. Es habe, erzählt H., einfach keinen Kick gehabt.
Handicapschwimmen
So sei man, erzählt H., auf Handicapschwimmen gekommen: Tagsüber beschwamm man die Rinne der Länge nach. Vom FKK-Bereich aus, also nackt. Und wenn einem unterwegs die Kraft ausging, konnte man nicht ohne weiteres an Land gehen und - Flitzen, wunderte sich H. selbst immer wieder, erregte noch Gemüter - durch die Textilzone nackt zurück zum Handtuch laufen.
In den lauen Nächten, erinnert sich H., habe die Gruppe auch gebadet. In möglichst vielen Sommerfreibädern. Der Klassiker ihres Freundeskreises sei das Schafbergbad gewesen. Aber derartige Hobbies hätten ohnehin die meisten Leute in Wien - nur die bevorzugte Bäderadresse variiere. Wohl auch deshalb habe sich, erzählt H., die Gruppe dann eine dritte urbane Schwimmdisziplin gesucht: Brunnenplanschen.
Nackter Bauchfleck
Der erste, sagt H., sei eigentlich gar kein ernst zu nehmender Brunnen gewesen. Denn das Wasserbecken am Urban Loritz Platz sei doch allerhöchstens eine Vogeltränke gewesen. Aber von da an, so H., habe es - was Größe und Auffälligkeit der zu bebadenden Brunnen anging, nur aufwärts gehen können. Und zwar, erklärt H. die Spielregeln, immer nackt und per Bauchfleck. Karlsplatz und Donnerbrunnen hat sie genauso bebadet, wie den Teich im Stadtpark (Obwohl sie das, gesteht H., heute nicht mehr machen würde - aus hygienischen Gründen)
Und auch der Hochstrahlbrunnen - samt dem Unfall mit dem schweren Wasser von oben - sei nicht Gipfel oder das Ende ihrer Wasserspringerkarriere gewesen: Im Sommer vor einem Jahr, erzählt H. voll stolz, hätten sie und ein paar Freunde es etliche Male geschafft, in der Nacht das Planschbecken im Museumsquartier zu beschwimmen. Dass sie dabei nie erwischt wurden, sei kein Zufall: Die Wächter, mutmaßt H., hätten wohl lieber aus der Ferne zugeschaut, als sich mit ein paar Nackten - angeblich in der Mehrzahl Frauen - anzulegen.
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