Düsseldorf - Im Kampf um die Marktanteile im E-Commerce formieren sich die Allianzen. Nun dringen die auch Softwareriesen in einen Zweig ein, der bisher ein eher kümmerliches Dasein fristete: das Erstellen und Verarbeiten von Rechnungen online. Dabei ist die Rechnungsbearbeitung - vor allem in den USA - ein wichtiges Feature: im Durchschnitt findet ein US-Bürger monatlich 12,4 Rechnungen in seinem Briefkasten vor. In der Regel stellt er daraufhin einen Scheck aus und steckt diesen in ein Briefkuvert. Diesen Vorgang könnte man auch online erledigen, dachten sich die großen Softwarehäuser und drängen nun in den Marktsektor des Online-Billings wie eine Elefantenherde in eine Schalterhalle. Anfang Dezember stellte der Softwarehersteller Oracle vor 8000 Bankern in Las Vegas sein neues Produkt "Oracle Internet Bill & Pay" vor. Die Software, die Banken das Erstellen von Rechnungen und das Bezahlen online ermöglicht, wird von den E-Commerce-Serviceanbietern CyberCash http://www.cybercash.com und CheckFree http://www.checkfree.com unterstützt. CyberCash, Provider für Online-Bezahlsysteme, bringt sein eigenes Online-Kreditkartenservice für Großbanken, PayNow, in die Liaison ein. CyberFree bleibt noch mit einer eigenen, neuen Version seines Online-Billing-Services, die im nächsten Sommer kommen soll, auf dem Markt. Mit Internet Bill & Pay sollen Banken, Service-Provider und Portalanbieter Rechnungen erstellen und Geldtransaktionen durchführen können. Die Software, deren Preis noch nicht feststeht, enthält den Oracle Applicationserver, eine eingeschränkte Nutzerlizenz für die Oracle 8-Datenbank und die Reports Servertools. Die Präsentation der Online?Billing-Software, die schon im Mai 1998 angekündigt wurde, erfolgte nur einen Monat auf die Ankündigung Netscapes, im nächsten Jahr eine Software für die Online-Rechnungsbearbeitung auf den Markt zu bringen. Zwar ist das Marketing von BillerXpert im Gefolge der Fusion mit America Online zurückgestellt worden, doch dürften die 14 Millionen AOL-Kunden wohl eine interessante Zielgruppe für rechnungsstellende Unternehmen sein. Auch Sun Microsystems will das Netscape-Produkt verkaufen. Die BillerXpert-Software, ab 250.000 Dollar zu haben, wird derzeit von zwei Banken in Singapur getestet. Eine von ihnen, die CitiBank, arbeitet mit der neuen Software, obwohl sie selbst innerhalb eines Joint ventures mit Microsoft und dem Anbieter von Transaktionssystemen First Data Corp. zusammenarbeitet. TransPoint, wie das gemeinsame Kind heißt, bietet den US-Banken die Electronic Bill Presentment & Payment - Software kostenlos an. http://www.msfdc.com Transpoint erlaubt die sogenannte Bill Consolidation: alle aufgelaufenen Rechnungen, gleichgültig, ob es die Rechnung der Elektrizitätswerke oder des Bücherversandes ist, werden auf einer Seite angezeigt. Ein Mausklick auf die gewünschte Rechnung geleitet den Rechnungsempfänger auf den Server des Rechnungsstellers, wo er sich die Details der Rechnung anschauen kann. Beispielsweise sieht der Kunde seine Telefonrechnung und kann sich auf dem Server des Telekommunikatoionsunternehmen die detaillierte Auflistung der geführten Gespräche anschauen. Diese Rechnungspräsentation wird als "thin consolidator" bezeichnet. Demgegenüber zeigt der "thick consolidator" alle Rechnungsdaten bis hin zu den Details auf einer Seite an. Die Bill Consolidation soll die vom Verbraucher bevorzugte Form der Rechnungspräsentation sein. Unklar ist noch, wer die Rechnungen präsentieren soll: 40 Prozent der von Transpoint befragten Kunden bevorzugen eine Bank als Serversite für die Sammlung der Rechnungen, während 19 Prozent ihre Rechnung lieber auf dem Server des Rechnungsstellers verwahrt sehen und 12 Prozent der Kunden eine Portalseite wie Yahoo oder das Netscape Netcenter als geeignete Adresse für die Einsicht in ihre Rechnungsdaten ansehen. Auch Oracles Software beherrscht die Bill Consolidation. Banken, Serviceprovider und Portalanbieter können die Rechnungen vieler Rechnungssteller konsolidieren und als einziger Zugangspunkt für Konsumenten fungieren. Diese Eigenschaft verspricht für den Anbieter der Rechnungsseite lukrativen Zusatznutzen. Denn Online-Billing soll nicht nur die Portokosten für den Rechnungsversand und die Sachbearbeitung kappen, sie soll auch neue Einnahmequellen erschließen, indem auf der Webseite zusätzliche Angebote offeriert oder Werbebanner plaziert werden. http://www.firstdatacorp.com/ * Electronic Billing: die wichtigsten Begriffe in Kürze * Mit dem Begriff Electronic Billing wird die elektronische Übermittlung von Daten zwischen einem Rechnungsteller und einem Rechnungsempfänger beschrieben. Dieser Vorgang kann in die Teilbereiche der Rechnungsübermittlung ("Electronic Bill Presentment") und Rechnungsbezahlung ("Electronic Payment") gegliedert werden. Wenn das Electronic Billing über das Transportmedium Internet erfolgt, wird es als Internet Billing bezeichnet. Umstritten ist die so genannte Bill Consolidation, die beim Kunden hoch im Kurs steht. Dabei sammelt eine Institution die Rechnungen der verschiedenen Rechnungssteller und präsentiert sie gemeinsam auf einer Webseite. Beim "thick consolidator" werden sämtliche Rechnungsdaten detailliert auf einer Seite angeboten. Bei der "schlanken" Lösung können Einzelheiten der Rechnung weiterhin auf dem Server des Rechnungsstellers liegen und online eingesehen werden. Vom rechnungsstellenden Unternehmen wird die Bill Consolidation weniger gut aufgenommen, da sie ein mögliches Instrument der Kundenbindung verloren sehen.(pte)