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Foto: APA/dpa/May
... das Nacktfoto entfällt. Dort weiß man eben, was sich schickt. Um den Lesern die dadurch entstandene innere Leere erträglich zu machen, füllte man sie diesmal mit einer Sonderportion spirituellen Allerleis auf.

Das begann schon am Vortag, als man den vom Blatt heroisch geführten Marmeladekrieg auf die höhere Ebene eines Halloween-Skandals hob. An Halloween scheiden sich die Geister! war auf der Titelseite unter einem Foto mit Kürbissen zu lesen. Während es für manche Kinder ein Heidenspaß im wahrsten Wortsinn ist, halten es Erwachsene oft für puren Unfug.

Als Kronzeuge wurde der Bürgermeister der Vorarlberger Gemeinde Wolfurt zitiert, der seinem Volk die Wadeln der Besinnung nach vorne richtete. "Allerheiligen und Allerseelen. Das ist unser Brauchtum! Eine ruhige Zeit in Gedenken an die Verstorbenen. Halloween dagegen ist eine öffentliche Belästigung, die sich zu einer echten Unsitte im ganze Land entwickelt hat." Der Mann ist zu Höherem berufen.

Einen Tag später brauchte Christianus nur noch in dieselbe Kerbe zu hauen. Dank gesagt sei den Bürgern, denen die Geschmacklosigkeit des Halloween reicht; Unterstützung muss denen zuteil werden, die sich um würdige Formen unserer Feste bemühen. Die würdevollen Tage des Totengedenkens werden heute durch Lärm und forcierten Unsinn gefährdet.

Die "Krone" jedenfalls hat zwischen würdigen Formen unserer Feste und forciertem Unsinn wieder einmal mit dem berühmten Instinkt ihres Herausgebers die richtige Wahl getroffen - ein Minister und ein Kräuterpfarrer durften von je einem eindrucksvollen Sterbeerlebnis berichten. So verkündete Sozialminister Herbert Haupt, der es längst verdient hätte, aufgrund seiner zahlreichen Sterbeerlebnisse (die politischen nicht einmal mitgerechnet) ins Guinness-Buch der Rekorde einzugehen: "Jeder besitzt eine Seele, die den Tod überdauert!"

Haupt, der schon 13 (!) Autounfälle, einen Flugzeugabsturz und einen Tauchunfall überlebt hat, also ein echter Sterbeprofi ist, sprach erstmals über unglaubliche, "außerkörperliche Erfahrungen" in diesen Minuten zwischen Leben und Tod. Erstaunlich offen und mutig! Leider hatte der Versicherungsschreck nicht viel Neues zu berichten. "Ich sah meinen Körper plötzlich von oben auf dem Operationstisch liegen. Dann gab es einen Tunnel und die Erfahrung von hellem Licht!" Ein - wissenschaftlich nicht erklärbares - Phänomen, von dem auch viele andere Menschen berichten. Wissenschaftlich nicht erklärbar ferner, wie jemand allein aus seiner Pechvogelexistenz ableitet, eine unsterbliche Seele zu besitzen.

Auch der Kräuterpfarrer bot starkes Kraut. Am Begräbnistag meiner Mutter ereignete sich Seltsames: Ich wusste noch nichts von ihrem Tod. Mehr als 10.000 Kilometer von der Heimat entfernt, langte die Nachricht erst Wochen später bei uns in China ein. Aber eindeutig, eindringlich und himmlisch zugleich vernahm ich zur Zeit des Begräbnisses meiner Mutter - wie sich später herausstellen sollte - die Glocken meiner Heimatkirche. Man müsste solche Himmelszeichen halt sofort deuten können!

Eindeutig, eindringlich, aber eher irdisch war der Halloween-Aufsatz des Herausgebers, der die Zeit der Besinnung zu der Aufforderung an die Politik nutzte, sie möge sich seiner Interessen besinnen. Es fehlt das Geld. Die Ideen, wie man dazu kommen könnte, sind spärlich. Wir (von Gottes Gnaden) sehen aber eine Möglichkeit, gegen die sich im Grunde nichts einwenden lässt . . . Also möge die Regierung beschließen, alle Subventionen gleichmäßig um einen bestimmten Prozentsatz zu kürzen.

Wir, die "Krone", halten uns wirklich nur im Vorhof der Macht auf, versuchte er Angst zu verbreiten für den Fall, dass diese geniale, noch nie gehabte Idee von den Zuständigen nicht aufgegriffen würde. Wir machen keine Politik. Wenn wir also Ideen haben, können wir diese nur weitergeben. In diesem Fall an die Politiker aller Parteien.

Um nach diesem Gebrabbel endlich den Geist aus dem Kürbis zu entlassen: Gerade arbeiten sie ja wieder daran, Zeitungen neu zu subventionieren, die von den Lesern zu wenig gelesen werden, statt die Sicherung von Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt einfach vertrauensvoll dem freundlichen Herrn Wir, die "Krone" anzuvertrauen, der im eigenen Blatt vorführt, wie gut diese Tugenden bei ihm aufgehoben sind. So will man sich halt doch die Gunst einiger Verleger erkaufen . . .

Der Herr Wir trägt seine Gunst nicht so billig zum Meinungsmarkt, da muss schon ein Stückerl Gugelhupf dazukommen. Der Subventionsrausch kann aber durchaus auch größer sein. (DER STANDARD; Printausgabe, 4.11.2003)