Wien - Nicht mehr und nicht weniger als die Öffnung des Internet für Behördenwege verheißt die vergangene Woche im Ministerrat beschlossene Regierungsvorlage zum E-Government-Gesetz. Unter Verwaltungsrechtlern wird diese vollmundige Ankündigung jedoch nur mit einem milden Lächeln quittiert. Ihre Sicherheitsanforderungen bedeuten sogar einen Rückschritt in der Praxis der elektronischen Verwaltung.

Spätestens seit den Verwaltungsverfahrensnovellen 1991 war es zulässig und praktikabel, behördliche Verfahren voll elektronisch zu führen. Unternehmer können schon jetzt zahlreiche Rechtsakte wie die Anmeldung eines Gewerbes oder einer Betriebsstätte bei der Wiener Magistratsabteilung 63 per E-Mail durchführen. Auch können Ausnahmegenehmigungen nach der Straßenverkehrsordnung und dem Wiener Parkometergesetz ("Parkpickerln") und Wahlkarten elektronisch geordert werden.

Außerhalb Wiens wurden mit Genehmigungsverfahren nach umweltrechtlichen Vorschriften erste elektronische Fortschritte erzielt. Auch die Probleme der elektronischen Hinterlegung und Akteneinsicht galten als gelöst.

Sollte die Regierungsvorlage Bundesgesetz werden, wird künftig jedoch der "open access" zum elektronischen Verfahren an die Verwendung einer E-Card gebunden und auch das Zustellwesen mit Einführung zertifizierter und kostenpflichtiger Zustellservices grundlegend reformiert. Beides wäre ein Rückschritt.

So bedeutet die zwingende Voraussetzung der Verwendung von elektronischen Bürgerkarten in Wahrheit eine Einschränkung des Benutzerkreises. Weniger wegen des technischen Aufwandes als wegen der Kosten. Für nicht gewerbliche User wird eine Kosten-Nutzen-Analyse über die Anschaffung von Karte und Lesegerät oft zu einer negativen Abwägungsentscheidung führen. Viele werden lieber schriftlich mit den Behörden verkehren, als die neue Infrastruktur anzuschaffen, um sich "sicher" elektronisch zu identifizieren.

Es muss zudem die Frage gestellt werden, ob Sicherheitsargumente diesen Systemwechsel rechtfertigen. Denn das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz enthielt ohnehin Vorkehrungen bei Unklarheiten und Zweifeln wie zum Beispiel über die Identität von Einschreitern.

So konnte die Behörde beispielsweise bei Verdacht auf Missbrauch jederzeit aus dem elektronischen Verkehr aussteigen und in ein konventionelles schriftliches Verfahren wechseln. Schließlich war auf Seite der Kunden keinerlei technische Vorkehrung außer dem Internet-Zugang nötig.

Die bisherige große Stärke des Verwaltungsverfahrensrechts: Verständlichkeit, Flexibilität und Offenheit für technische Neuerungen soll künftig einer technokratischen "Kartenlösung" Platz machen, wie sie schon in mehrfacher Hinsicht anderswo gescheitert ist. Erinnert sei an die Auftragsvergabe für die Sozialversicherungskarten, die nun im November wiederholt werden muss, und an die Zertifizierung für die elektronische Signatur.

Kartenleser nötig

Auch wenn die Hersteller von Kartenlesegeräten, Chipkarten und Codierungen schon in den Startlöchern scharren, sollte diese Grundtendenz des neuen Gesetzes noch einmal gründlich durchdacht werden. Mehr technischer Aufwand allein bedeutet nämlich keineswegs mehr Sicherheit der Kommunikation im Netz.

Auch bei Einführung des Telefax gab es Bedenken sonder Zahl, dass damit dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet werden würde, weil ja nicht mehr eindeutig feststellbar war, ob die Unterschrift des Antragstellers kopiert oder authentisch auf dem Original der Telekopie angebracht war.

Die Realität in den Verwaltungen hat allerdings gezeigt, dass von den Normalsterblichen das Faxgerät keineswegs als Instrument für eine Fälscherwerkstatt genutzt wurde. Dagegen haben es Betrüger seit jeher geschafft, auch die kompliziertesten Sicherungssysteme zu überwinden. (DER STANDARD Printausgabe, 04.11.2003, Gerhard Strejcek)