Strenge Lkw-Kontrollen zur Eindämmung der Transitlawine sind in Österreich nicht die Realität. Dennoch setzt die Regierung im Kampf um den Transitvertrag auf diese Maßnahmen. Darüber hinaus könnte die EU auf Einhaltung des Beitrittsvertrages verklagt werden.

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Wien/Linz/Salzburg – Die von Infrastrukturminister Hubert Gorbach als wirksames Mittel gegen Lkw-Lawine und Transit angekündigten strengen Kontrollen der Laster sind derzeit nicht viel mehr als Wunschdenken. Österreich verfügt weder über ausreichende Kontrollmöglichkeiten, noch über die notwendigen Kontrollore.

De facto gibt es an Österreichs Transitrouten nämlich nur zwei Kontrollstellen, die überhaupt in der Lage sind, gefährliche, weil nicht den technischen Standards entsprechende Laster herauszufischen: eine an der Inntalautobahn in Kundl und eine in Kematen in Oberösterreich.

Kontrollore gesucht

Jene in Kundl ist nach Aussage der Grünen Verkehrssprecherin Eva Lichtenberger technisch am Besten ausgerüstet, sie könne täglich kontrollieren und zwar Abgasemissionen, Tonnage, Bremsen, Fracht(-papiere), Tacho und Ruhezeiten.

Jene in Kematen hingegen, beklagt Oberösterreichs Verkehrslandesrat Erich Haider, könne nur alle zwei Wochen aktiv werden – weil Innenminister Ernst Strasser 20 Exekutivposten gestrichen habe. „Von rund 1,7 Mio. Lkw auf der Inkreisautobahn können heuer nur rund 1500 kontrolliert werden. Damit werden wir im Transit kein Leiberl reißen“, sagt Haider.

Damit ist klar, wo der Hund begraben ist: Lkw-Kontrollen fallen in die Kompetenz der Länder, Landesbeamte dürfen die Brummer aber nur im Beisein der (Bundes-)Gendarmerie anhalten und von der Autobahn ausleiten.

Salzburg verärgert

Salzburgs Verkehrslandesrat Walter Blachfellner schlägt in dieselbe Kerbe: Man könne an der Autobahnkontrollstelle Kuchl nicht wirksam kontrollieren, wenn der Innenminister das Personal kürze. Um an der Tauernautobahn eine ähnliche Kontrollhäufigkeit wie auf der Brennerroute zu erreichen, bräuchte man in Salzburg 14 Beamte zusätzlich, lässt Blachfellner wissen.

Im Monatsschnitt werden in Kuchl derzeit rund 4500 Lkw kontrolliert. Von den nach einer ersten Sichtkontrolle durch die Gendarmerie ausgewählten Fahrzeugen sind im Schnitt etwa 13 Prozent überladen, 1,2 Prozent sind schlicht nicht verkehrssicher.

Rechnen würde sich der seit Jahren angekündigte Ausbau der Kontrollstellen übrigens allemal, denn eine Kontrollstelle ist ein gutes Geschäft: Den Baukosten von 1,8 Mio. Euro und jährlichen Personalkosten von 500.000 Euro stehen in Kundl jährliche Einnahmen (Strafgelder, Anm.) in Höhe von 1,2 Mio. Euro gegenüber. „Das amortisiert sich in weniger als zwei Jahren“, rechnet die Grünen-Verkehrssprecherin Lichtenberger vor.

Transitgipfel: EU-Klage

In Wien tagte zur Causa prima am Mittwoch ein Transit- Gipfel mit Opposition und Landeshauptleuten. Angesichts der jüngsten Verhandlungsniederlage in Brüssel – der Standard berichtete – suchte man nach einer einheitlichen österreichische Strategie. Den geforderten „nationalen Schulterschluss“ lehnten SP-Chef Alfred Gusenbauer und Grünen-Chef Alexander Van der Bellen als „Behübschung des Scheiterns“ aber ab.

Weder einigte man sich auf eine gemeinsame Verhandlungsstrategie für die letzten Verhandlungen (bis 25. November) in Brüssel noch auf die Bildung einer Delegation aus Regierung, Opposition und Ländern, die diese führen sollte.

Kaum Spielraum

Als einzig wirksame Mittel wurden einmal mehr schärfere Lkw-Kontrollen, Fahrverbote nach Warengruppen und Tageszeiten identifiziert. Notfalls sollte Österreich die EU auf Einhaltung des Beitrittsvertrags verklagen, falls es zu keiner Verlängerung des zu Jahresende auslaufenden Transitvertrags komme.

Abgeblitzt ist Gusenbauer auch mit seiner Forderung nach einer Anhebung der Lkw-Maut von durchschnittlich 22 auf 28 Cent pro Kilometer. Er meinte: „Die Regierung trägt die Verantwortung, dass der Karren derzeit so verfahren ist.“ Schüssel und Gorbach stellten sich nach den Parteiengesprächen nicht mehr der Öffentlichkeit.

Damit scheint unabwendbar, was seit einer Woche bekannt ist: Der von den EUPartnerländern vorgelegte, für Österreich aber inakzeptable Vorschlag, die Fahrtenobergrenze aufzuheben und das Ökopunkte-Regime aufzuweichen, was für die Laster defacto „freie Fahrt durch Österreich“ bringen würde.

Verkehrsminister Gorbach setzt nach wie vor auf rigorose Kontrollen des Lkw-Verkehrs, die „wirkungsvoll und umsetzbar“ seien. Für diese Kontrollen könnten bis Ende 2004 eine zentrale Institution und eine mobile Einsatztruppe geschaffen werden. Was 2003 allerdings praktisch nichts bewirken wird. Vorgeschlagen wurden u.a. zwölf zusätzliche Kontrollstellen auch auf niederrangigen Straßen, ein einheitlicher Bußgeldkatalog und die Zweckwidmung der Strafgelder für die Erhaltung des Systems.

Haider droht

Der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider hat noch einmal die Veto-Karte gezückt und damit gedroht, das österreichische Parlament könnte die EU-Osterweiterung beeinspruchen. Bundeskanzler Schüssel lehnte dies dezidiert ab. Auch die Opposition ist gegen ein solches Veto. (DER STANDARD Printausgabe, 6.11.2003, ung, neu, APA)